Titel-Hattricks und Torrekorde
Immer mehr Idole bereichern die Bundesliga, Clubs feiern auch internationale Erfolge, und der Titel bei der Heim-WM 1974 fällt in diese Zeit. Dabei spielt Regen eine Rolle, in der Saison 1978/79 ein strenger Winter. Die Bundesliga-Spielzeiten 1973/74 bis 1982/83.
Text: Karl-Heinz Körbel
Zu Beginn meiner ersten kompletten Saison im Profifußball nach dem Debüt im Herbst 1972 beim 2:1-Sieg mit Eintracht Frankfurt gegen den FC Bayern wurde die Bundesliga zunächst weiterhin vom Zweikampf um die Deutsche Meisterschaft zwischen eben jenen Münchnern und Borussia Mönchengladbach geprägt – wie schon in den vorausgegangenen Jahren. Nach dem Erfolg von 1972 machten 1973 und 1974 zunächst die Bayern den ersten Titel-Hattrick überhaupt perfekt, was umgehend – 1975, 1976 und 1977 – auch den Gladbachern gelang. Erst danach griffen andere Clubs ein: der 1. FC Köln und der Hamburger SV.
Kein Wunder also, dass vor allem die Bayern und Gladbach mit ihren legendären Trainern Udo Lattek und Hennes Weisweiler viele Topstars in ihren Reihen hatten, mit auch heute noch klangvollen Namen: In München zählten neben Franz Beckenbauer als der „Lichtgestalt des deutschen Fußballs“ etwa Torhüter Sepp Maier, der einzigartige Torjäger Gerd Müller, Paul Breitner, Uli Hoeneß, der die Münchner ab 1979 als Manager zu weiteren Höhen führen sollte, und später Karl-Heinz Rummenigge zu den herausragenden Spielern. Solche hatte Rivale Borussia ebenfalls zu bieten, obwohl Leader Günter Netzer im Sommer 1973 zu Real Madrid gewechselt war: Berti Vogts etwa, Jupp Heynckes, den Dänen Allan Simonsen oder Rainer Bonhof und Ulli Stielike.
Mit dem Gerüst aus beiden Clubs gelang, wie schon beim EM-Sieg von 1972, auch der WM-Triumph 1974 im eigenen Land, 20 Jahre nach dem „Wunder von Bern“, durch einen 2:1-Finalsieg gegen die Niederlande in München – woran auch zwei meiner Eintracht-Mitspieler, Jürgen Grabowski und Bernd Hölzenbein, ein gerüttelt Maß Anteil hatten. Von unserer ersten Heim-WM wird auch das damals „Wasserschlacht“ getaufte abschließende Zwischenrundenspiel der deutschen Nationalelf gegen Polen bei uns in Frankfurt immer in Erinnerung bleiben, das ich zusammen mit meinem Vater live im Stadion verfolgt habe. Eine der Walzen, mit denen seinerzeit – ohne tatsächliche Wirkung – der Rasen nach Starkregen vor dem deutschen 1:0-Sieg einigermaßen spielfähig gemacht werden sollte, ist heute im „Eintracht Frankfurt Museum“ zu bestaunen.
Borussia Mönchengladbach gelingen beinahe vier Deutsche Meisterschaften in Serie
An gleicher Stelle verloren die Bayern zum Auftakt der Bundesliga-Saison 1974/75 knapp zwei Monate später mit 0:6. Allerdings nicht gegen meine Eintracht, die in der folgenden Saison aber mit demselben Ergebnis gegen die Münchner gewann, sondern zunächst gegen Kickers Offenbach, trainiert von Otto Rehhagel, weil unser Nachbar und Rivale wegen Umbaumaßnahmen am eigenen Stadion Bieberer Berg über den Main umziehen musste. Wie andere Spitzenteams erlebten die Münchner ein kurzes Zwischentief: Rang zehn am Ende dieser Spielzeit war eine der schwächsten Platzierungen ihrer Bundesliga-Zugehörigkeit, nachdem sie zuvor noch Deutscher Meister geworden waren – allerdings auch das nicht ohne Knalleffekt eines spektakulären Spiels: Im Herbst 1973 hatten sich die Bayern nach einer 4:1-Führung beim 1. FC Kaiserslautern noch mit 4:7 geschlagen geben müssen.
Vier Deutsche Meisterschaften in Folge wären fast Borussia Mönchengladbach gelungen. Doch ein 12:0-Sieg gegen Borussia Dortmund mit fünf Toren durch Jupp Heynckes, noch immer der bisher höchste in der Bundesliga erzielte Erfolg, blieb am abschließenden Spieltag 1977/78 ohne Folgen für die Titelvergabe. Denn der 1. FC Köln gewann mit 5:0 beim FC St. Pauli und verteidigte Platz eins bei Punktgleichheit mit Gladbach durch eine um drei Treffer bessere Tordifferenz. Bei den vom Ex- Gladbacher Hennes Weisweiler trainierten Kölnern mit „Toni“ Schumacher als überragendem Torhüter, dem Belgier Roger van Gool als erstem Spieler, der für damals eine Million D-Mark Ablösesumme in die Bundesliga gekommen war, und Yasuhiko Okudera als erstem japanischen Bundesliga-Profi schaffte Dieter Müller im Verlauf dieser Saison einen bis heute gültigen Rekord: Beim 7:2 gegen den SV Werder Bremen erzielte er sechs Tore!
Schnee und Eis sorgen für Rekordanzahl an Spielabsagen
Die folgende Saison ging aus einem speziellen Grund in die Bundesliga-Geschichte ein. Ein „Jahrhundertwinter“ sorgte in Deutschland für teils chaotische Verhältnisse und verschonte auch die Bundesliga nicht. Dass es in den Stadien damals fast durchweg noch keine Rasenheizungen gab, war nicht allein ausschlaggebend. Vielmehr waren die Anfahrtswege für Zuschauer oft nicht passierbar. So gab es die Rekordzahl von 46 Absagen und Verlegungen von Begegnungen. Allein der 19. Spieltag zog sich über vier Monate hin – bis kurz vor dem Saisonende, an dem der Hamburger SV erstmals in der Bundesliga die Deutsche Meisterschaft holte.
Trainiert wurde die Mannschaft von Branko Zebec, Manager war Günter Netzer, und auf dem Spielfeld glänzte der Engländer Kevin Keegan, genannt „Mighty Mouse“. Schon wieder ohne Keegan folgten unter dem österreichischen Coach Ernst Happel zwei weitere Deutsche Meisterschaften für den HSV: 1982 mit dem aus den USA zurückgekehrten Franz Beckenbauer und 1983, als die Mannschaft um Manfred Kaltz, Felix Magath und Horst Hrubesch auch den Europapokal der Landesmeister gewann, den Vorgängerwettbewerb der UEFA Champions League.
Erfolgreiche Jahre für die Eintracht
Während der gesamten Zehn-Jahre-Zeitspanne waren wir mit Eintracht Frankfurt ebenfalls sehr erfolgreich. In keiner anderen Phase wurden auch nur annähernd so viele Titel gesammelt. Das erste – gegen den Hamburger SV mit 3:1 nach Verlängerung gewonnene – DFB-Pokalfinale fand 1974 nach der Weltmeisterschaft und nur eine Woche vor dem Beginn der nächsten Spielzeit statt. Die späte Ansetzung machte es möglich, dass der kurz zuvor vom FC Schalke 04 zu uns gekommene Klaus Beverungen mitwirken konnte, dem dieses Erfolgserlebnis bei einer „regulären“ Terminierung noch in der vorangegangenen Saison verwehrt geblieben wäre. Er war auch mit von der Partie, als unser Team um Grabowski, Hölzenbein und Bernd Nickel als weiteren Eckpfeiler 1975 den DFB-Pokal verteidigen konnte, wobei mir das entscheidende Tor zum 1:0-Sieg gegen den MSV Duisburg gelang. Dem dritten Erfolg in diesem Wettbewerb, einem 3:1-Sieg im Finale 1981 gegen den 1. FC Kaiserslautern, war im Jahr zuvor der Gewinn des UEFA-Pokals (heute UEFA Europa League) vorausgegangen. In der Bundesliga gehörten wir fast durchweg zur Spitzengruppe, mit der besten Platzierung auf Rang drei in der Saison 1974/75 hinter Borussia Mönchengladbach und Hertha BSC.
Zu diesem Zeitpunkt hatte ich mir schon einen Stammplatz erkämpft, wie sich in der Statistik ablesen lässt. Von den insgesamt 340 Bundesliga-Spielen zwischen 1973/74 und 1982/83 verpasste ich nur 17, im Durchschnitt standen für mich über diese zehn Jahre 32,3 Einsätze von maximal 34 möglichen pro Saison zu Buche. Die Basis für meinen bis zum Karriereende 1991 auf 602 Spiele ausgebauten Bundesliga-Rekord war geschaffen.
Der Autor: Karl-Heinz „Charly“ Körbel (68) ist mit 602 Einsätzen von 1972 bis 1991, ausschließlich für Eintracht Frankfurt, Rekordspieler der Bundesliga. Heute leitet der DFL-Ehrenpreisträger die Fußballschule der Eintracht.