„Der Gentleman des deutschen Fußballs“

Dr. Reinhard Rauball
Foto: DFL/Witters/Tim Groothuis

25.12.2021 – Am heutigen Samstag wird Dr. Reinhard Rauball 75 Jahre alt. Aus diesem Anlass: Eine Würdigung des DFL-Ehrenpräsidenten durch Dr. Thomas de Maizière, den früheren Bundesminister des Innern. 


Wer Fußball liebt, kennt ihn. Er gehört im besten Sinne zum Inventar des deutschen Fußballs und ist ein Aushängeschild für Fairness und gesellschaftliches Engagement. Kennengelernt habe ich ihn – wie viele andere Studenten auch – als Jurastudent in Münster in den 1970er Jahren. Nicht persönlich. Aber mit dem „Rauball/Rauball“, einem Gemeinschaftswerk von Vater und Sohn, lernten wir das Kommunalrecht von Nordrhein-Westfalen. Sein Name war groß in der wissenschaftlichen Juristerei. Und das als Anwalt, nicht als Professor. Von seiner Fußballbegeisterung wusste ich damals noch nichts.

Schon als Kind wurde der BVB mein Lieblingsverein. Ich weiß gar nicht mehr, warum. Sicher nicht wegen der Präsidenten und Geschäftsführer, sondern wegen Sigfried Held und Timo Konietzka und anderen. Mir gefiel immer das Bodenständige und Klare, verbunden mit Leidenschaft. Andere wurden Schicki-Micki, der BVB nicht.

Reinhard Rauball lernte ich dann persönlich als Bundesinnenminister kennen. Er war der Präsident der DFL und von „meinem“ Verein, Borussia Dortmund. Alle wussten das. Als Innenminister musste und wollte ich in meiner Funktion natürlich neutral sein. Auch Reinhard Rauball konnte die Balance zwischen dem parteilichen BVB-Präsidenten und dem neutralen Liga-Präsidenten immer halten.

Dr. Thomas de Maizière (links) und Dr. Reinhard Rauball (rechts) beim Neujahrsempfang der DFL 2016 in Frankfurt am Main. Foto: DFL/Witters
Foto: DFL/Witters

Ich habe in keinem öffentlichen Interview je ein besonders hartes oder unfaires Wort zu anderen Vereinen von ihm gehört, auch nicht in Stunden bitterer Niederlagen. Wir haben uns auch gestritten, zum Beispiel bei manchen Gesprächen über Gewalt in und vor den Stadien. Der organisierte Fußball sagte, die Politik müsse mehr tun. Und wir als die Innenminister von Bund und Ländern waren umgekehrter Meinung. Das trugen wir klar und hart, aber fair aus und fanden immer einen guten Kompromiss. Öffentliche Vorwürfe gab es dabei zwischen Reinhard Rauball und mir nicht.

Einmal durfte ich meine Neutralität verlassen. Zum 100. Geburtstag von Borussia Dortmund im Jahr 2009 durfte ich als Bundesinnenminister die Laudatio halten. Sie geriet zu einer Liebeserklärung. Der damalige DFB-Präsident Theo Zwanziger antwortete gekonnt mit einer Liebeserklärung an seine Borussia aus Mönchengladbach. Reinhard Rauball genoss beides! Ein großer Abend für den Fußball.

In dieser Zeit begannen Reinhard Rauball und ich, uns anzufreunden, stets unter Wahrung der jeweiligen Rollen, und das, obwohl wir unterschiedlichen Parteien angehören. Für unsere Beziehung besonders wichtig war eine gemeinsame Nacht. Am 17. November 2015 saßen wir zusammen mit dem Innenminister von Niedersachsen, Boris Pistorius, in dessen Ministerium in Hannover und bangten, ob es beim geplanten Länderspiel Deutschland gegen die Niederlande zu einem Terroranschlag kommen würde.

Vier Tage zuvor waren in Paris bei einem Terroranschlag, auch im Umfeld des Länderspiels Frankreich gegen Deutschland, 130 Menschen ums Leben gekommen. Wir hatten ernstzunehmende Terrorwarnungen für genau dieses Spiel. Es sollte erst zu einem ersten Anschlag im Stadion und später zu einem weiteren im Hauptbahnhof kommen.

Im Laufe des Tages hatten wir mehrfach Kontakt miteinander. Am frühen Abend verabredeten Boris Pistorius und ich schweren Herzens die Absage des Länderspiels. Ich fuhr zu ihm und blieb vor Ort. Es kam nicht zu einem Anschlag. Alles Weitere ist bekannt, auch meine Aussage in der Pressekonferenz: „Teile meiner Antwort würden die Öffentlichkeit verunsichern …“ Reinhard Rauball war die ganze Zeit dabei. Auch in der Pressekonferenz saß er neben mir. Das tat mir gut. Er wollte Solidarität zeigen. Nicht mit großen Worten. Er konnte ja auch zum polizeilichen Sachverhalt nichts beitragen. Aber durch seine bloße Anwesenheit, durch seine Ruhe fühlten wir uns nicht allein. Das Ministerium, in dem wir saßen, war in Sichtweite des Stadions. Insofern war schon die Lage selbst für uns nicht ungefährlich. Andere gingen an diesem Abend, er blieb bis zum Schluss.

Als es dann am Abend des 11. April 2017 einen Anschlag auf den Mannschaftsbus des BVB gab, habe ich meinerseits meinen Urlaub abgebrochen, bin mit meiner Frau nach Dortmund geflogen und habe das Champions-League-Spiel gegen die AS Monaco am folgenden Abend angesehen. Ob es stattfinden sollte, war umstritten. Mir war das nicht wichtig. Wenn es stattfindet, wollte ich als Bundesinnenminister dabei sein. Und ich saß neben Reinhard Rauball. Solche Erlebnisse schweißen zusammen. Da bedarf es gar nicht vieler Worte.

Jetzt wird Reinhard Rauball 75 Jahre alt. Er hat sich stets in den Dienst gestellt, auch im DFB in schwierigen und schweren Zeiten zwei Mal als Interimspräsident. Da musste er sich oft zusammenreißen, wenn es in der DFB-Führungsriege an Teamgeist fehlte.

Mit Begeisterung immer noch aktiv am Ball: Dr. Reinhard Rauball bei einem Spiel der Traditionsmannschaften von Borussia Dortmund und des FC Schalke 04 (hier der frühere Nationalspieler Rüdiger Abramczik). Foto: picture alliance/augenklick/firo Sportphoto
Foto: picture alliance/augenklick/firo Sportphoto

Jede Woche spielt er noch Fußball, selbstbewusst ironisch berichtet er von seinen früheren „Höchstleistungen“ in der Leichtathletik. Borussia Dortmund ist mehr als Fußball. Begeistert kann er zum Beispiel von den Handballerinnen des BVB berichten.

Reinhard Rauball ist ein liebenswürdiger Gastgeber. Konflikte kann er brillant analysieren, und er ist ein kluger Ratgeber. Ich kenne kaum einen anderen, der wie Reinhard Rauball Bescheidenheit und Selbstbewusstsein angenehm miteinander verbindet. Er zeigt, dass man auch höflich führen und hart sein kann. Übrigens war er nie vom Fußball abhängig, denn er ist ein erfolgreicher Rechtsanwalt, nicht nur in Fußballdingen.

Reinhard Rauball ist ein Großer im Fußball und zugleich ein liebenswürdiger und liebenswerter Mensch. Er ist der Gentleman des deutschen Fußballs.

Herzlichen Glückwunsch, Reinhard Rauball. Gesundheit, Erfolg und Gottes Segen wünschen Dir in diesen Tagen Fußballfans aus ganz Deutschland!

Hintergrund: Der Text von Dr. Thomas de Maizière ist zunächst in Ausgabe 5|21 des DFL MAGAZINS erschienen. Das DFL MAGAZIN ist auch als E-Paper für Smartphone und Tablet kostenlos verfügbar. Die App dazu kann im App Store (iOS) oder bei Google Play (Android) heruntergeladen werden.