Große Trauer: Franz Beckenbauer verstorben
08.01.2024 – Außergewöhnlich, herausragend, einzigartig: Wegbegleiter schwärmen regelrecht von Franz Beckenbauer. „Das Gesicht und die überragende Persönlichkeit der Bundesliga“, sagt Wolfgang Overath, Mannschaftskollege beim Weltmeisterschaftstriumph 1974. Und Lothar Matthäus, Kapitän von Teamchef Franz Beckenbauer beim WM-Erfolg 1990 in Italien, nennt ihn „Botschafter des deutschen Fußballs. Auf allen Positionen hat er das Optimale erreicht. Dabei wurde ihm vom lieben Gott nicht alles in die Wiege gelegt, wie mancher vermuten könnte. Franz hat für den Erfolg hart gearbeitet.“
So war es schon zu Beginn seiner Karriere. Eher skeptisch gegenüber den beruflichen Plänen, Fußballer zu werden, unterschrieb der Vater 1964 den Vertrag mit dem FC Bayern München für seinen Sohn, der dazu mit 18 Jahren damals selbst noch nicht berechtigt war. Als Posthauptsekretär mit Beamtenstatus hatten der Papa, dessen Vornamen Franz Beckenbauer erbte, und Mutter Antonie andere Vorstellungen vom Werdegang ihres zweiten Sohns nach dem vier Jahre älteren Walter. Immerhin arbeitete das Talent zur Aufbesserung seines anfangs schmalen Gehalts nach abgeschlossener Lehre als Versicherungskaufmann halbtags bei einem Textilgroßhändler, schnitt dabei Stoffe für Anzüge zu. Dies aber nur kurzzeitig: Denn schon bald wurde Fußball für den Hochbegabten zur ausfüllenden, ihn zunehmend fordernden Hauptbeschäftigung.
Mit dem FC Bayern schaffte Franz Beckenbauer 1965 den Aufstieg in die Bundesliga, bei deren Gründung der Deutsche Fußball-Bund (DFB) dem Lokalrivalen TSV 1860 München zwei Jahre zuvor den Vorzug gegeben hatte – es sollte anfangs nur einen Club pro Stadt in der neuen höchsten Spielklasse geben.
Gerade mal sechs Wochen nach seinem Bundesliga-Einstand, einem 0:1 gegen 1860, folgte Franz Beckenbauers Länderspiel-Debüt: Durch einen 2:1-Sieg in Schweden löste die deutsche Nationalelf das Ticket zur WM 1966 in England. Spätestens bei dieser WM nahm Franz Beckenbauers Laufbahn auf seinem Weg zum „Kaiser“, wie er später genannt wurde, Fahrt auf, wurde er auch international ein Star mit besonderen Fähigkeiten. „Wo andere hingelaufen sind, da hat Franz als Spieler schon gestanden“, sagt Andreas Brehme, 1990 im WM-Finale gegen Argentinien in Rom Schütze des entscheidenden Elfmetertors. Für Wolfgang Overath war Franz Beckenbauer „der bei Weitem beste Spieler, den wir je in Deutschland hatten. Franz konnte in seiner Leichtigkeit, mit der er spielte, einfach alles: Er war schnell, konnte dribbeln, schießen, konnte Kopfbälle.“
Halt „Die Lichtgestalt des deutschen Fußballs“, so eine weitere Bezeichnung für Franz Beckenbauer – ein Ausnahmekönner, dessen Eleganz faszinierte und dessen Qualität als Leader aus der Position des Liberos heraus, des freien Mannes, ihm Titel und Auszeichnungen en masse bescherte. In Auszügen: fünf Mal Deutscher Meister, zuletzt 1982 nach seiner Rückkehr von Cosmos New York mit dem Hamburger SV, Welt-, Europa- und DFB-Pokalsieger, US-Meister, 103 Länderspiele, Europameister 1972 und Weltmeister 1974, jeweils als Kapitän der deutschen Nationalelf, 1990 Weltmeister als Teamchef. Und Gewinner war der Ehrenspielführer der Nationalmannschaft, DFL-Ehrenangehörige und Ehrenpräsident des FC Bayern München eigentlich auch bei einem weiteren WM-Turnier: 2006 als Präsident des Organisationskomitees beim „Sommermärchen“. Weil Deutschland durch vier stimmungsvolle Endrunden-Wochen unter dem Motto „Zu Gast bei Freunden“ im Ausland völlig anders, nämlich viel freundlicher wahrgenommen wurde als zuvor. Vor allem wegen seiner prägenden Rolle bei dieser Erfolgsgeschichte monierten zahlreiche Weggefährten den kritischen Umgang mit Franz Beckenbauer in den vergangenen Jahren.
Bei diesem Engagement verfolgte Franz Beckenbauer wie früher als Spieler und Trainer, in dieser Funktion auch beim FC Bayern und bei Olympique Marseille, stets höchste Ansprüche mit dem Ziel der Perfektion – in erster Linie an sich selbst, aber auch an Mannschaftskollegen und später an von ihm betreute Spieler, was durchaus schon mal dazu führen konnte, dass das Umfeld die Unzufriedenheit des dann ziemlich „Wilden Kaisers“ lautstark zu spüren bekam.
Ganz im Gegensatz zu solchen Momenten zeigte Franz Beckenbauer eine imponierend unerschütterliche Geduld bei Autogrammwünschen, wenn er wieder mal irgendwo auf der Welt unterwegs war und auch im entlegensten Winkel eines Kontinents erkannt wurde. Millionenfach erfüllte er die Bitte nach einer Unterschrift, setzte seinen Namenszug auf Fotos, Trikots und vieles mehr, immer haargenau gleich und unverwechselbar mit zwei schwungvollen Bögen bei Vor- und Nachnamen beginnend – immer mit einem freundlichen Lächeln.
Gerade dieser Wesenszug war Franz Beckenbauer selbst stets wichtig. Einerseits umgarnt von vielen Prominenten auch aus anderen gesellschaftlichen Bereichen, nach seiner Zeit in New York als Weltmann tituliert, als Schlagersänger mit dem Hit „Gute Freunde kann niemand trennen“ in den Charts, heute noch ein Ohrwurm, weniger erfolgreich im Kinofilm „Libero“ über sein Leben, aber auch dabei Titelheld, für die Werbung eine Ikone – ein Superstar, ein Idol, eine Legende.
Andererseits aber und allen Superlativen zum Trotz hat sich Franz Beckenbauer – so gut das überhaupt möglich war – ein Stück Bodenständigkeit bewahrt, war ihm in großer Dankbarkeit stets bewusst, dass ihm Fußball viel, wenn nicht alles ermöglicht hatte. Davon gibt er insbesondere durch die nach seinem Abschiedsspiel im Jahr 1982 von ihm gegründete „Franz Beckenbauer Stiftung“ zurück, die Menschen mit Behinderung und Personen, die krank oder unverschuldet in Not geraten sind, unterstützt.
Dass an Franz Beckenbauer selbst fast sein gesamtes Leben lang wegen unterschiedlichster Anliegen gezerrt und gezogen wurde, oft genug, um sich im Glanz des großen Namens zu sonnen, legte sich erst in jüngerer Vergangenheit aufgrund seiner angeschlagenen Gesundheit.
Nun ist Franz Beckenbauer im Alter von 78 Jahren verstorben.