Die Arolsen Archives: Bildungs- und Erinnerungsarbeit mit wissenschaftlicher Expertise
28.01.2022 – Die gemeinsame Auseinandersetzung von Fans und Clubs mit Antisemitismus sind ebenso wie Initiativen gegen Rassismus und Antisemitismus fester Bestandteil der Fußballkultur in der Bundesliga und 2. Bundesliga. Anlässlich des 18. Erinnerungstags im deutschen Fußball möchten wir auf ein Projekt aufmerksam machen, das die Erinnerungsarbeit des deutschen Profifußballs seit vielen Jahren unterstützt und in einigen Fällen mit seiner wissenschaftlichen Expertise überhaupt erst möglich macht.
Hinweise zu 17,5 Millionen ermordeten Menschen
Die Arolsen Archives sind ein internationales Zentrum über die NS-Verfolgung mit dem weltweit umfassendsten Archiv zu den Opfern und Überlebenden des Nationalsozialismus. Die Sammlung mit Hinweisen zu rund 17,5 Millionen Menschen, die während der deutschen Besatzung in Europa verfolgt, inhaftiert oder ermordet wurden, gehört zum UNESCO-Weltdokumentenerbe. Doch noch immer sind viele Namen von Verfolgten nicht bekannt. Im Jahr 2020 startete auch deshalb die Kampagne #everynamecounts mit dem Ziel, ein digitales Denkmal in Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus zu errichten. Die Arolsen Archives setzen sich damit beispielhaft für eine lebendige Erinnerungskultur ein. Denn Antisemitismus und Rassismus dürfen in unserer Gesellschaft keinen Platz haben – gehören als Gründe für Verfolgung aber längst nicht der Geschichte an.
Jeder und jede kann #everynamecounts unterstützen und im sogenannten „Crowdsourcing-Verfahren“ dabei helfen, die Bestände digital zu erschließen. Neben den Namen werden beispielsweise sogenannte „Häftlingspersonalbögen“ verfasst, die sowohl Informationen zu Alter und Beruf enthalten als auch darüber, wie und warum ein Mensch von den Nazis verfolgt wurde. Diese Dokumente bieten oftmals tiefe Einblicke in die individuellen Schicksale.
Unterstützung der Erinnerungsarbeit im Fußball
Auch für die Bildungs- und Erinnerungsarbeit im Fußball halten die Arolsen Archives Informationen bereit. So finden sich beispielsweise Dokumente mit Bezug zum deutschen Nationalspieler Julius Hirsch, der Jude war, oder zu Eddy Hamel, dem jüdischen Stürmer von Ajax Amsterdam. Beide wurden im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau ermordet. Clubs können zudem unter anderem gemeinsam mit ihren Fans in dem umfassenden Archiv ehemalige Vereinsmitglieder recherchieren, die ebenfalls von den Nazis verfolgt worden sind. Auch dadurch bietet die Initiative zur Erstellung eines digitalen Denkmals für die Opfer des Nationalsozialismus die Möglichkeit, online mit Fans und Mitgliedern zu interagieren.
Weitere Informationen im Interview mit Dr. Henning Borggräfe
Im vergangenen Sommer näherte sich die DFL-Abteilung Fanangelegenheiten angesichts der Corona-bedingten Einschränkungen, die zum Beispiel auch Gedenkstättenfahrten betrafen, in einer virtuellen Veranstaltung der Frage, wie auch im digitalen Raum an die Verfolgten des Nationalsozialismus erinnert werden kann. Teilnehmende aus den Bereichen Fanarbeit und CSR der Clubs der Bundesliga und 2. Bundesliga sowie Vertreterinnen und Vertreter der sozialpädagogischen Fanprojekte widmeten sich gemeinsam mit dem Historiker Dr. Andreas Kahrs der Antisemitismus-Arbeitsdefinition der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) und deren Bedeutung für die Clubs und Fanbeauftragten. Darüber hinaus stellte der Historiker Dr. Henning Borggräfe, Abteilungsleiter Bildung und Forschung der Arolsen Archives, die Initiative „#everynamecounts“ vor, welche im Anschluss gemeinsam mit den Teilnehmenden erprobt wurde.
Im dfl.de-Interview erklärt Dr. Henning Borggräfe, weshalb das aktive Erinnern im Moment besonders wichtig ist. Außerdem spricht der Historiker über Kooperationen mit Clubs.