Gemeinsam gegen das Vergessen
27.01.2023 – Seit langem stellen sich Proficlubs in Deutschland auch mit Unterstützung der DFL ihrer Vergangenheit und der des deutschen Fußballs, erforschen diese und beleuchten dabei auch unrühmliche Kapitel ihrer Historie – weit über den „Erinnerungstag im deutschen Fußball“ am 27. Januar hinaus. Denn so wie nahezu alle Teile der Gesellschaft hat sich auch der Fußball nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 der neuen Staatsführung und ihrer Ideologie unterworfen.
Die Erinnerungsarbeit unterstützt die DFL in zahlreichen Clubs unter anderem über den Pool zur Förderung innovativer Fan- und Fußballkultur (PFiFF). Zusätzlich zu ihren eigenen Initiativen sind viele Clubs und deren Anhängerschaft an Projekten zur Erinnerungskultur beteiligt.
In Hamburg beleuchtet das Netzwerk Erinnerungsarbeit, ein Zusammenschluss von Fans, Mitarbeitenden und Organisationen des Hamburger SV, seit 2016 die Rolle des Clubs im Nationalsozialismus und den Einfluss von rechtem Gedankengut im Verein und der Fanszene im historischen Verlauf bis heute. Das von der DFL geförderte Projekt erhielt 2022 den vom DFB verliehenen Julius-Hirsch-Preis.
„Erinnerungsarbeit auch im Lokalen“
Borussia Dortmund verfolgt seit Jahren einen ganzheitlichen Ansatz und fördert in der Holocaust-Gedenkstätte in Yad Vashem (Israel) den Bau des „Haus der Sammlungen“ mit einer Spende in Höhe von einer Million Euro (siehe Video). Die Biografie des Holocaust-Überlebenden Helmut „Sonny“ Sonneberg ist Teil der Erinnerungsarbeit von Eintracht Frankfurt. Eintracht-Fan Sonneberg überlebte während seiner Kindheit das Ghetto Theresienstadt und begleitet heute als Zeitzeuge verschiedene Projekte des Clubs. Der 1. FC Nürnberg nutzt seit einem Jahrzehnt die Biografie ihres ehemaligen jüdischen Trainers Jenö Konrad (1930 bis 1932) für die Bildungsarbeit in der Region. Mithilfe des Fundes der verschollen geglaubten Mitgliederkartei der Jahre 1928 bis 1955 beleuchtet der „Club“ nun auch weitere Biografien ehemaliger jüdischer Vereinsmitglieder sowie seine Rolle während der NS-Zeit.
In Bremen wiederum ist auf diese Weise in Zusammenarbeit zwischen dem Fanprojekt Bremen e.V. und dem SV Werder Bremen ein Bildungsangebot entstanden, in dem Jugendliche in Kleingruppen auf die biographische Spurensuche jüdischer Sportler und Sportlerinnen sowie Vereinsverantwortlicher des SV Werder gehen. „Es ist entscheidend, dass Erinnerungsarbeit auch im Lokalen ansetzt, dabei aber ebenfalls die Brücke zwischen der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft baut, um so einen Bezug für die Beteiligten herzustellen“, sagt Thomas Schneider, Leiter der DFL-Abteilung Fanangelegenheiten.
Der Profifußball ist eine gesellschaftliche Institution in Deutschland. Er führt zusammen.
Ansgar Schwenken, Mitglied der DFL-Geschäftsleitung
Eben diese Abteilung fördert unter anderem die stetige (Weiter-)Bildung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus den Fanabteilungen von Clubs der Bundesliga und 2. Bundesliga sowie von Mitarbeitenden von Fanprojekten und der Koordinationsstelle Fanprojekte (KOS) in zeitgemäßer Arbeit gegen alle Formen der Diskriminierung, auch gegen Rassismus und Antisemitismus.
Finanziell gefördert durch PFiFF, sollen auch Bildungsreisen zu den Orten ehemaliger Ghettos, Konzentrations- und Vernichtungslager wie Theresienstadt und Auschwitz-Birkenau die Präventionsarbeit in den Clubs unterstützen, der Fanarbeit Mittel für ihr Wirken an die Hand zu geben und deren Arbeit weiter zu qualifizieren. Sie sind Ausgangspunkt für individuelle Aufenthalte und Programme von Clubs und Fanprojekten, geben wertvolle Impulse für die Besuche und didaktische Ansätze vor Ort, aber auch darüber hinaus.
Zugrunde liegt dem Profifußball für sein Engagement ein gemeinsames Verständnis für die wirksame Bekämpfung von Antisemitismus. Auf der DFL-Mitgliederversammlung 2021 haben die 36 Proficlubs der Bundesliga und 2. Bundesliga sich mit der Übernahme der Arbeitsdefinition von Antisemitismus der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) deutlich gegen jede Erscheinungsform positioniert.
Zusammenarbeit mit Zentralrat der Juden in Deutschland und World Jewish Congress
Beim Fachtag „Antisemitismus und Profifußball: Herausforderungen, Chancen, Netzwerk“ im Dortmunder SIGNAL IDUNA PARK im März 2022, den die DFL in Kooperation mit Borussia Dortmund dem World Jewish Congress und dem Zentralrat der Juden in Deutschland gemeinsam ausgerichtet hat, stand die Bekämpfung von Antisemitismus innerhalb und außerhalb des Sports im Mittelpunkt.
Zu den Rednern zählten auch Dr. Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Maram Stern, Vizepräsident des World Jewish Congress, Dr. Felix Klein, Beauftragter der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus und Mahmut Özdemir, Parlamentarischer Staatssekretär bei der Bundesministerin des Innern und für Heimat. Historiker Dr. Andreas Kahrs führte als Moderator durch den Tag. Auch Ansgar Schwenken, Mitglied der DFL-Geschäftsleitung, sprach zu den Gästen. Er sagte: „Der Profifußball ist eine gesellschaftliche Institution in Deutschland. Er führt zusammen. Ungeachtet von Herkunft, Religion, Behinderung, Alter oder Geschlecht ist er ein fester Bezugspunkt für die Menschen in unserem Land.“
Der aus dieser Stellung entstehenden Verantwortung kommt der Profifußball auch mit seinem vielfältigen Engagement gegen Antisemitismus nach.
Im DFL MAGAZIN 1/23 widmet sich ein Schwerpunktthema dem umfangreichen Engagement aus dem deutschen Profifußball gegen Antisemitismus. Die Ausgabe erscheint voraussichtlich Mitte Februar und ist dann auch in der DFL-App als kostenloser Download für iOS und Android verfügbar.