„Neue Wege entlang unserer Traditionen und Werte“
07.04.2022 – Seit dem 1. Januar steht Donata Hopfen an der Spitze der DFL. Im Interview spricht die Vorsitzende der Geschäftsführung über die vergangenen drei Monate, über die Folgen der Pandemie sowie über Chancen und Herausforderungen für den deutschen Profifußball:
Donata Hopfen, ein wichtiger Bestandteil Ihrer Anfangszeit bei der DFL sind Besuche bei den 36 Clubs der Bundesliga und 2. Bundesliga. Wie fällt Ihre Zwischenbilanz aus?
Donata Hopfen: Positiv! Ich habe mich zunächst intensiv mit den Kolleginnen und Kollegen in der DFL ausgetauscht – und mich dabei über Aufbruchsstimmung und großen Tatendrang gefreut. Danach bin ich die nächsten Schritte gegangen: zum DFB, zu Medienpartnern und vor allem zu unseren Clubs. Ich war bereits bei vielen Vereinen vor Ort, habe ihre Denke und vor allem die handelnden Personen kennengelernt. Ich bin sehr offen aufgenommen worden und habe während meiner Besuche bei den Clubs viele gute und vertrauensvolle Gespräche geführt. Dabei ist deutlich geworden, wie unterschiedlich die Schwerpunkte der Clubs aufgrund ihrer individuellen Strukturen, Größen, lokalen Verwurzelungen, Ansichten und Strategien sind. Es war mir sehr wichtig, zunächst die individuelle Perspektive der Clubs zu kennen, um mit Blick auf die weitere Arbeit auf dieser Grundlage aufzubauen.
Eine Herausforderung Ihrer ersten Monate bei der DFL waren weiterhin auch die unmittelbaren Auswirkungen der Pandemie. Wie beurteilen Sie die aktuelle Lage?
Hopfen: Mit Blick auf unseren Spielbetrieb ist es bislang gelungen, dass die Saison mit nur wenigen Spielverlegungen fortgesetzt werden konnte – obwohl Corona natürlich auch die Mannschaften immer wieder vor große Herausforderungen stellt. Davon abgesehen hat es in Deutschland leider länger gedauert, aber nun dürfen die Fans endlich wieder die Stadien füllen. Klar ist jedoch schon jetzt, dass die Politik das Land auf die pandemische Entwicklung im Herbst und Winter vorbereiten muss. Die Rückkehr starker Einschränkungen würde viele Wirtschaftsbereiche hart treffen und Existenzen gefährden, auch im Profifußball. Die Situation ist weiterhin sehr angespannt.
Was bedeutet das konkret?
Hopfen: Wir erleben derzeit eine Zäsur. Die Zeit des nahezu selbstverständlichen Wachstums scheint vorüber. In den beiden vergangenen Saisons, die von der Pandemie geprägt waren, haben die Bundesliga und 2. Bundesliga mehr als eine Milliarde Euro an Umsatz verloren. Auch in der laufenden Saison hat Corona erhebliche Auswirkungen. Bis zum vergangenen Wochenende konnten viele Spiele nur ohne oder mit wenigen Fans in den Stadien stattfinden. Das ändert sich jetzt glücklicherweise, wird aber deutliche Spuren in den Bilanzen hinterlassen. Hinzu kommt eine unsichere Perspektive mit Blick auf die internationalen Medienmärkte. Die Auslandsvermarktung ist zweifellos eine der großen Herausforderungen, die wir angehen werden. Hier befinden wir uns in einem Wettbewerb mit den anderen europäischen Ligen, in dem vor allem Stars, starke Club-Marken und sportliche Erfolge auf internationaler Ebene zählen, von den Clubs genauso wie von der Nationalmannschaft.
Wie gehen Sie damit um?
Hopfen: Wir fragen uns zum Beispiel: Wie können wir die Internationalisierung der Liga kreativ und zielgerichtet vorantreiben? Wie nutzen wir dabei die Digitalisierung? Wie können wir mit unseren Möglichkeiten im globalen Wettbewerb erfolgreicher werden? Es gibt auf diese Fragen keine einfachen Antworten. Aber klar ist, dass wir immer entlang unserer Traditionen und Werte handeln. In der Verbindung von Innovation und Tradition steckt eine große Kraft. Auf dieser Grundlage machen wir uns an vielen Stellen Gedanken über neue Wege. Hinzu kommen zahlreiche weitere wichtige Themen.
Welche meinen Sie zum Beispiel?
Hopfen: Es geht um die Spannung im nationalen Wettbewerb genauso wie um Konkurrenzfähigkeit auf internationaler Ebene. International kommt aus wirtschaftlicher Sicht ein neuer Faktor hinzu: dass andere europäische Ligen in den vergangenen Monaten strategische Partnerschaften eingegangen sind und dadurch enorme Summen erlösen. Das wird auch Einfluss auf uns haben, zum Beispiel auf dem Transfermarkt. Ein bleibendes Thema ist zudem die 50+1-Regel. Bei uns haben die Vereine und ihre Mitglieder das Sagen, keine Oligarchen – das soll auch künftig so bleiben. Vor diesem Hintergrund müssen gemeinsam mit dem Bundeskartellamt Lösungen im Interesse aller 36 Clubs gefunden werden. Hierzu hat die DFL eine Stellungnahme an das Bundeskartellamt abgegeben. Das Thema Nachhaltigkeit treiben wir entschlossen voran, derzeit werden die Lizenzierungskriterien in enger Abstimmung mit den Clubs konkretisiert.
Wie gehen Sie diese Punkte an?
Hopfen: Mit all diesen Themen setze ich mich gemeinsam mit dem Team der DFL natürlich bereits eingehend auseinander. Klar ist: Jeder einzelne Punkt ist komplex, oft geht es sehr schnell um Grundsätzliches. Es ist unerlässlich, dass wir Gremien und Clubs einbeziehen. Ziel ist es, zeitnah einen Prozess zu initiieren – und dann gemeinsam Schritt für Schritt die Zukunft zu bestreiten. Zu berücksichtigen ist dabei auch, dass wir uns seit Februar in einer völlig veränderten geopolitischen Situation befinden.
Sie sprechen den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine an.
Hopfen: Genau. Es ist schrecklich zu sehen, dass es in Europa wieder Krieg gibt, der furchtbares Leid für Millionen ukrainische Bürgerinnen und Bürger bringt. Persönlich empfinde ich die Situation als sehr bedrückend und hoffe sehr, dass der Weg zum Frieden schnell gefunden wird. Zugleich bin ich froh über die große Welle der Solidarität der Menschen in Deutschland – und auch darüber, wie sich der Fußball auf vielfältige Weise klar und eindeutig positioniert hat. Auch diese Art der Solidarität macht den Fußball so besonders und stärkt seine Stellung in der Mitte der Gesellschaft. Die mittel- und langfristigen Folgen des Krieges sind jedoch noch gar nicht absehbar. Aber schon jetzt ist eindeutig, dass die Auswirkungen auch viele Bereiche unseres Lebens und unseres Alltags betreffen werden – und damit vermutlich auch den Fußball.
Ein anderes Thema: Der DFB hat mit Bernd Neuendorf einen neuen Präsidenten. Wie läuft die bisherige Zusammenarbeit?
Hopfen: Ich habe schon unmittelbar nach dem DFB-Bundestag gesagt, dass ich die große Chance auf einen Neuanfang sehe. Für den DFB selbst, aber auch für das Verhältnis zwischen DFB und DFL. Es ist ja bekannt, dass die Verlängerung des Grundlagenvertrags auf der Agenda steht. Den bisherigen Austausch mit Bernd Neuendorf empfinde ich als sehr positiv und an den gemeinsamen Themen orientiert. Genau so muss es sein – im Sinne des gesamten deutschen Fußballs. Denn ich glaube, dass der Fußball weiterhin die eine große, verbindende Kraft in der Mitte der Gesellschaft ist.
Dazu trägt sicherlich bei, dass die Stadien endlich wieder gefüllt werden dürfen.
Hopfen: Ja. Das ist großartig. Nur so kann der Fußball das große Gemeinschaftserlebnis sein, das wir uns alle wünschen. Ich habe das schon an anderer Stelle gesagt: Wir wollen die Menschen in den Stadien und an den Bildschirmen begeistern – in Deutschland und weit darüber hinaus. Dafür müssen wir genau verstehen, was die Fans erwarten und sich wünschen. Hierzu diskutieren wir unabhängig von Corona derzeit DFL-intern umfassend. Aktuell ist es aber zweifellos hervorragend, wieder volle Tribünen zu sehen.