Rechtsstreit um Polizeikosten: DFL strebt unverändert Entscheidung durch das Bundesverfassungsgericht an
- Vorgehen nach Urteil des OVG Bremen folgt Grundsatzentscheidung des DFL-Präsidiums, über welche die DFL bereits im Dezember 2019 informiert hatte
- Die DFL hält die betreffende Regelung des Bremischen Gebühren- und Beitragsgesetzes unverändert für verfassungswidrig und die auf dieser Grundlage ergangenen Gebührenbescheide für rechtswidrig
25.11.2020 – Das Oberverwaltungsgericht Bremen hat den Gebührenbescheid der Freien Hansestadt Bremen wegen des Polizeieinsatzes am Rande des Bundesliga-Spiels zwischen dem SV Werder Bremen und dem Hamburger SV (19.04.2015) bestätigt. Das Urteil kommt für die DFL nicht unerwartet: Im März 2019 hatte das Bundesverwaltungsgericht die Gebührenerhebung dem Grunde nach für „im Prinzip rechtmäßig“ erklärt, wegen weiterer Sachverhaltsaufklärung den Rechtsstreit jedoch an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen. In diesem zweiten Durchgang war das Oberverwaltungsgericht an die Vorgaben des Bundesverwaltungsgerichts in Bezug auf die Verletzung von Verfassungs- und Bundesrecht gebunden, so dass es im Wesentlichen darum ging, ob der Gebührenbescheid gegen landesrechtliche Bestimmungen verstößt.
Das OVG Bremen ist der Auffassung, dass die Bremischen Gebührenregelungen es nicht verbieten, „diejenigen Kosten, die nach dem einschlägigen Gebührenrecht den Störern in Rechnung gestellt werden könnten, der Klägerin als Veranstalterin nach § 4 Abs. 4 BremGebBeitrG in Rechnung zu stellen.“ Der Veranstalter und die in Gewahrsam genommenen Personen hafteten für die Ingewahrsamnahmekosten als Gesamtschuldner analog § 13 Abs. 4 BremGebBeitrG.
Diese Sichtweise und die Begründung sind aus Sicht der DFL nicht tragfähig: Die Bremische Veranstaltergebühr führt dazu, dass von denjenigen, die den Polizeieinsatz im Bremer Stadtgebiet auslösen – nämlich Personen, die als gewaltbereit gelten und unter Umständen auch tatsächlich Gewalthandlungen begehen –, keine Kosten erhoben werden. Belastet – und zwar im Vergleich zu den Gebühren, die den in Gewahrsam genommenen Störern auferlegbar sind, in unverhältnismäßig größerer Höhe – werden hingegen die Veranstalter, die nicht nur Auseinandersetzungen nicht veranlassen, sondern diese vielmehr mit erheblichem Einsatz und Aufwand präventiv zu verhindern versuchen. Zudem darf es über das Konstrukt einer analogen Gesamtschuldnerschaft nicht der Entscheidung der Bremischen Verwaltung überlassen werden, denjenigen Gebührenschuldner heranzuziehen, von dem sie am einfachsten eine Zahlung erwarten kann, also von dem Veranstalter und nicht von den tatsächlichen Störern.
Kritisch sieht die DFL auch, dass das Oberverwaltungsgericht die Einsatzplanung der Polizei nicht eingehender überprüft hat, insbesondere die Zahl der eingesetzten Beamten. Insoweit bleibt das OVG-Urteil hinter den Vorgaben zurück, die das Bundesverwaltungsgericht für die gerichtliche Kontrolle aufgestellt hat.
Die Freie Hansestadt Bremen hat den ursprünglichen Gebührenbescheid in der mündlichen Verhandlung abermals verringert, diesmal um 15.211,00 Euro, nachdem die DFL mögliche Fehler bei der reinen Gebührenberechnung erkannt hatte.
Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision nicht zugelassen. Ob sich die DFL gleichwohl noch einmal, nun mit einer – weiterhin möglichen – Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision, an das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig wendet, wird derzeit geprüft. Anderenfalls wäre der fachgerichtliche Rechtsschutz vor den Verwaltungsgerichten ausgeschöpft. Für diesen Fall hatte das Präsidium des DFL e.V., wie bereits am 3. Dezember 2019 erklärt, beschlossen, das Bundesverfassungsgericht im Wege der Verfassungsbeschwerde anzurufen, auch weil der Rechtsstreit nicht nur Auswirkungen auf den Profifußball hat, sondern auch das grundsätzliche Verhältnis zwischen Staat und Privaten bei der Gewährleistung öffentlicher Sicherheit betrifft.
Die DFL hält die ergangenen gerichtlichen Entscheidungen weiterhin insgesamt für nicht überzeugend und erachtet die betreffende Regelung in § 4 Abs. 4 BremGebBeitrG weiterhin für nicht verfassungsgemäß. Die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit ist eine staatliche Kernaufgabe, die aus dem Gewaltmonopol des Staates folgt und die grundsätzlich aus Steuermitteln und nicht über Gebühren zu finanzieren ist. Die Erhebung einer Gebühr bedarf einer besonderen sachlichen Rechtfertigung: Eine Gebühr darf nur für eine abgrenzbare besondere staatliche Leistung erhoben werden, die dem Gebührenschuldner individuell zurechenbar ist, etwa weil sie ihm einen Sondervorteil bietet. Von einem solchen Sondervorteil könnte man sprechen, wenn die Polizei eine im öffentlichen Raum ausgetragene gewinnorientierte Veranstaltung konkret vor Störern schützen würde. Die Bereitstellung zusätzlicher Polizeikräfte im Stadtgebiet bei einer erwarteten Anreise einer höheren Zahl von als gewaltbereit eingestuften Personen bei Spielen mit erhöhtem Risiko dient jedoch einer allgemeinen Sicherheitsvorsorge und stellt sicher, dass die Polizei in der Lage ist, ihre Kernaufgabe zum Schutz der Allgemeinheit auch zu erfüllen. Auf die grundsätzliche Durchführbarkeit einer Veranstaltung im Stadion hat der Einsatz von Polizeikräften im Stadtgebiet keinen Einfluss. Die verstärkte Polizeipräsenz im öffentlichen Raum außerhalb des Herrschafts- und Verantwortungsbereichs des Veranstalters vermittelt dem Veranstalter daher keinen Sondervorteil. Sie ist deshalb nicht gebührenfähig.
Die DFL erachtet darüber hinaus die gegenüber ihr erlassenen Gebührenbescheide auch aus anderen Gründen als rechtswidrig. Die Gebühr wird nach § 4 Abs. 4 BremGebBeitrG ausdrücklich nur von Veranstaltern erhoben, die eine gewinnorientierte Veranstaltung „durchführen“. Die DFL GmbH organisiert und vermarktet im Auftrag des DFL e.V. zwar die Gesamt-Wettbewerbe Bundesliga und 2. Bundesliga, die Durchführung der konkreten einzelnen Spiele der Bundesliga und 2. Bundesliga ist indes in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht die Aufgabe des jeweiligen Heimclubs. Einen wirtschaftlichen Sondervorteil für die als Gebührenschuldnerin konkret in Anspruch genommene DFL GmbH vermittelt die zusätzliche Bereitstellung von Polizeikräften im Bremer Stadtgebiet anlässlich eines Spiels zudem offensichtlich nicht.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass auch alle Akteure des Profifußballs „Steuerzahler“ sind und damit zur Finanzierung der Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit beitragen. Insgesamt zahlt der Profifußball Steuern und Abgaben in erheblicher Höhe (Saison 2018/19: 1,4 Milliarden Euro). Die Clubs tragen zudem die Kosten für die Sicherheitsmaßnahmen innerhalb ihres Einfluss- und Verantwortungsbereiches, also auf dem Stadiongelände, und finanzieren umfangreiche Gewaltpräventions-Programme.
Die DFL tritt weiterhin für eine enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit aller Netzwerkpartner ein – mit dem Ziel einer größtmöglichen Sicherheit bei Fußballspielen unter Reduzierung der Anzahl der eingesetzten Polizeikräfte und ihrer Einsatzstunden. Mit dem Konzept der „Stadionallianzen“ wurde in einigen Bundesländern ein erfolgreiches Modell gestartet, dessen Grundlage veränderte, verbindliche Kommunikations- und Entscheidungsstrukturen und damit auch ein angepasstes Vorgehen der Polizei sind. Dadurch sollen Konfliktsituationen minimiert und die Sicherheit maximiert werden. Den Kern der „Stadionallianzen“ bildet eine intensivierte spieltagbezogene Zusammenarbeit von Clubs, Fanprojekten und der Polizei.
Hintergründe zum Rechtsstreit zwischen der Freien Hansestadt Bremen und der DFL:
In erster Instanz hatte das Verwaltungsgericht Bremen mit Urteil vom 17. Mai 2017 der Klage der DFL GmbH gegen die Freie Hansestadt Bremen stattgegeben und den Gebührenbescheid aufgehoben. Im Berufungsverfahren hatte das Oberverwaltungsgericht Bremen wiederum das Urteil des Verwaltungsgerichts Bremen aufgehoben und die Klage der DFL gegen die Freie Hansestadt Bremen abgewiesen. Gegen dieses Urteil hatte die DFL Revision beim Bundesverwaltungsgericht eingelegt. Im März 2019 urteilte das Bundesverwaltungsgericht, dass die Bremische Gebührenregelung im Prinzip rechtmäßig sei, verwies aber den Rechtsstreit zur weiteren Sachaufklärung an das Oberverwaltungsgericht Bremen zurück.
Die bislang vier zur Zahlung fälligen Gebührenbescheide in einer Gesamthöhe von rund 1,17 Millionen Euro wurden im vergangenen Jahr durch die DFL fristgerecht beglichen. Der in diesem Verfahren streitige Gebührenbescheid war noch nicht darunter. Eine Anerkennung der Rechtmäßigkeit dieser weiteren Gebührenbescheide oder der Verfassungsmäßigkeit ihrer Rechtsgrundlage seitens der DFL war und ist mit der Begleichung ausdrücklich nicht verbunden. Vielmehr hat die DFL gegen alle bislang ergangenen Gebührenbescheide Widerspruch erhoben und behält sich darüber hinaus vor, diese auch jeweils einzeln gerichtlich überprüfen zu lassen. Auch das Bundesverwaltungsgericht hatte in seinem Urteil hervorgehoben, dass der Gebührenschuldner Anspruch auf eine wirksame gerichtliche Kontrolle habe und die Polizei den geltend gemachten Mehraufwand zu rechtfertigen habe.
Da die DFL und der SV Werder Bremen von den erkennenden Gerichten bislang als Mitveranstalter im Sinne des Bremischen Gebühren- und Beitragsgesetzes und damit als Gesamtschuldner angesehen werden, finden die gesetzlichen Regelungen zum Gesamtschuldnerausgleich im Innenverhältnis Anwendung.