Rückblick und Ausblick der „Task Force Sportmedizin / Sonderspielbetrieb“
27.05.2021 – Wie blickt die „Task Force Sportmedizin / Sonderspielbetrieb“ auf die in Kürze abgeschlossene Saison 2020/21 zurück? Dazu äußern sich Prof. Dr. Tim Meyer (Leiter der Task Force) und Ansgar Schwenken (Mitglied der DFL-Geschäftsleitung, Direktor Fußballangelegenheiten & Fans):
Herr Professor Meyer, Herr Schwenken, noch stehen die letzten Relegationsspiele an – danach ist die Saison im deutschen Profifußball vorüber. Endet damit auch die Arbeit der „Task Force Sportmedizin/Sonderspielbetrieb“?
Ansgar Schwenken: Die Task Force wird in der Sommerpause und sicherlich auch in der kommenden Saison in gewisser Form weiter bestehen. Dass die dritte Infektionswelle in Deutschland gebrochen scheint, ist sehr erfreulich – zuallererst für die gesamte Gesellschaft, und damit auch für den Sport. Aber es ist davon auszugehen, dass die Pandemie uns trotzdem noch eine ganze Weile beschäftigen wird. Wir werden uns in den kommenden Wochen intensiv mit der nächsten Saison und der Saisonvorbereitung befassen und dann sukzessive entscheiden, wie genau die Arbeit der Task Force künftig gestaltet sein wird.
Prof. Dr. Tim Meyer: Persönlich glaube ich, dass die Schutzmaßnahmen für den Spielbetrieb in der nächsten Saison deutlich abgebaut werden können. Denn ich hoffe auf eine hohe Impfquote unter Profifußballern, die noch deutlich über der Impfquote der Allgemeinbevölkerung liegt.
Wie haben Sie die finale Saisonphase erlebt?
Meyer: Es war eine sehr intensive Phase. Zusätzlich zu unseren regelmäßigen virtuellen Meetings gab es seit Februar innerhalb der Task Force täglichen, teilweise auch stündlichen Austausch. Darüber hinaus standen wir mit den meisten Clubs ständig in Kontakt. Oberste Prämisse ist und bleibt selbstverständlich die Gesundheit aller Beteiligten. Wir hatten die Überzeugung, dass die Kombination aus der zuletzt positiven Entwicklung der pandemischen Situation in Deutschland sowie den von der DFL angeordneten Quarantäne-Maßnahmen dafür sorgen wird, dass die Saison allein auf sportlichem Weg beendet wird. Erfreulicherweise ist es so gekommen, jetzt stehen nur noch die letzten Spiele der Relegation aus.
Schwenken: Im März und April mussten sich bekanntlich mehrere Mannschaften in Team-Quarantäne begeben, einige Begegnungen mussten nachgeholt werden. Das hat mit Blick auf die Spielplanung einige Herausforderungen sowohl für die DFL als auch für die Clubs hervorgerufen, denn aufgrund der Relegation und der Abstellungsperiode für die Europameisterschaft gibt es in diesem Jahr keine Flexibilität über das Saisonende hinaus. Auch deshalb hat sich das DFL-Präsidium für die Anordnung einer „Quasi-Quarantäne“ und der sogenannten „Quarantäne-Trainingslager“ entschieden, um den Spielbetrieb an den letzten Spieltagen zusätzlich abzusichern. Unabhängig davon haben wir in verschiedensten Szenarien gedacht, um sicherzustellen, dass die Saison auf sportlichem Weg und im anvisierten Zeitplan beendet werden kann. Nun stehen noch drei Relegationsspiele an – dann ist dieses Ziel endgültig erreicht. Es war ein unglaublicher Kraftakt. Und zwar von allen Clubs, ihren Spielern, Trainer- und Betreuerstäben, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, der Task Force, zahlreichen Kolleginnen und Kollegen in der DFL und vielen weiteren Beteiligten. Die Halbwertszeit von Prognosen hat sich in der Pandemie enorm verringert, aber: Hoffen wir, dass wir alle eher früher als später Begriffe wie „Quarantäne-Trainingslager“ wieder aus unserem Sprachgebrauch streichen können.
Wie sehen die Planungen für die kommende Saison aus?
Schwenken: Mit Blick auf den Arbeitsschutz, der im medizinisch-hygienischen Konzept geregelt ist, lässt sich das zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht genau sagen. Darüber entscheidet die Verwaltungsberufsgenossenschaft, mit der wir dazu im Austausch sind. Die Planungen hängen von verschiedensten Aspekten ab – zuvorderst natürlich von der pandemischen Entwicklung in Deutschland und dem Fortschritt beim Impfen. Wie Professor Meyer schon sagte: Wir hoffen, dass die Schutzmaßnahmen in der nächsten Saison deutlich abgebaut werden können.
Sie haben das Thema angesprochen: Wie ist der Status quo in Bezug auf Impfungen?
Meyer: Wir tauschen uns zum Thema Impfungen schon seit einigen Wochen und auch weiterhin informell mit den Mannschaftsärzten der Clubs der Bundesliga und 2. Bundesliga aus, daher wissen wir, dass dort, wo die Impfpriorisierung es zulässt, in diesen Tagen und Wochen erste Impfungen angedacht sind.
Schwenken: Eine zentrale, ligaweite Impfaktion kann und wird es nicht geben – schon allein aufgrund der unterschiedlichen Regelungen in den Bundesländern. In manchen ist die Priorisierung für bestimmte Impfstoffe bereits aufgehoben, in anderen noch nicht. Zudem ist es letztlich die Entscheidung jedes Einzelnen, ob er sich impfen lässt oder nicht. Hinzu kommt, dass in diesem Sommer mit der U21-EM-Finalrunde, der Europameisterschaft und den Olympischen Spielen mehrere Turniere anstehen – das ist beim Impfzeitpunkt der entsprechenden Spieler zu berücksichtigen. Natürlich hoffen wir auf eine hohe Impfquote unter den Spielern der Bundesliga und 2. Bundesliga. Aber das tatsächliche Vorgehen liegt im individuellen Verantwortungsbereich der Clubs im Rahmen der jeweils geltenden Impfpriorisierung.
Meyer: Klar ist: Wie für große Teile der Gesellschaft kann die Impfung auch für Profisportler als enormer zusätzlicher Schutz vor Ansteckungen mit und schweren Verläufen von Covid-19 dienen.
Wie bewerten Sie aus medizinischer Sicht den Verlauf der Saison 2020/21 in der Bundesliga und 2. Bundesliga?
Meyer: Wir haben den Spielbetrieb auch wissenschaftlich eng begleitet. Dabei sind wir von Informationen der Mannschaftsärzte der Clubs abhängig, die meinem Eindruck nach in dieser auch für sie sehr herausfordernden Zeit äußerst sorgfältig und verantwortungsbewusst vorgegangen sind. Nach den uns vorliegenden Informationen waren bei nahezu allen 217 Infektionen, die uns aus der Saison 2020/21 durch die entsprechenden Meldungen der Clubs bekannt sind, asymptomatische Verläufe oder Verläufe mit wenigen Symptomen zu verzeichnen – diese Zahl bezieht sich auf die bei den Clubs der Bundesliga und 2. Bundesliga in das regelmäßige PCR-Testungsprogramm eingeschlossenen Personenkreise um Lizenzmannschaft, Trainerteam sowie Betreuerstab. In zwei Fällen war ein Krankenhausaufenthalt von Spielern erforderlich, bei denen jedoch erfreulicherweise jeweils eine Entlassung nach wenigen Tagen folgte.
Wie beurteilen Sie die Zahl der Infektionen?
Meyer: Dass es mehr positive Fälle als nach dem Re-Start an den neun Spieltagen der vorherigen Saison geben würde, war angesichts des Pandemiegeschehens während der zweiten und dritten Infektionswelle in Deutschland zu erwarten. Das lag auch an Kontakten im privaten Umfeld, da die Spieler nicht während der gesamten Saison isoliert waren – was ihnen auch nicht zuzumuten war. Zudem hatten beispielsweise ihre Familienmitglieder unvermeidbaren Kontakt zu anderen Personen, ob auf der Arbeit, in der Schule oder im Kindergarten. Wir freuen uns, dass die zweistufigen Quarantäne-Maßnahmen am Saisonende offenbar als zusätzliche Schutzmaßnahmen gegriffen haben. Zu berücksichtigen ist auch, dass es im Profifußball aufgrund der vielen verpflichtenden PCR-Testungen und der zuletzt täglichen Antigentests nahezu keine Dunkelziffer an Infektionen gibt – anders als in der Gesamtgesellschaft. Setzen wir die 217 positiven Fälle in Relation zu etwa 1.700 regelmäßig getesteten Personen, liegt die Inzidenz in der Größenordnung der Allgemeinbevölkerung, wenn man die in Studien gefundene Dunkelziffer berücksichtigt. Bei insgesamt etwa 130.000 durchgeführten PCR-Labortests bedeuten 217 positive Fälle eine Positivrate von unter 0,2 Prozent.
Wie lautet Ihre Einschätzung hinsichtlich einer Rückkehr von Zuschauern?
Meyer: Das Zulassen von Zuschauern halte ich für realistisch. Sicher werden die Stadien nicht gleich wieder zu 100 Prozent gefüllt sein können, aber dass Spiele grundsätzlich ohne Fans in den Stadien stattfinden, wird hoffentlich nicht mehr notwendig sein, wenn wir davon ausgehen, dass sich die infektiologischen Tendenzen fortsetzen.
Schwenken: Die Clubs der Bundesliga und 2. Bundesliga haben schon im vergangenen Sommer umfassende individuelle Konzepte für ihre jeweiligen Standorte entwickelt, um eine schrittweise Rückkehr von Zuschauern zu ermöglichen. Erleichtert werden sollte die Situation durch eine hohe Zahl an geimpften potenziellen Stadiongängern in der Bevölkerung. Entscheidend wird aber auch in der kommenden Saison die Gesetzes- und Verordnungslage in Bezug auf Großveranstaltungen sein, die sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht mit Sicherheit voraussagen lässt. Nicht nur mit Blick auf den gesamten Sport in Deutschland, sondern auch für Kinos, Konzerte, Theater und andere Kulturveranstaltungen hoffe ich, dass Zuschauer beziehungsweise Gäste bald wieder zugelassen werden. Die DFL wird selbstverständlich weiterhin alles tun, um die Clubs in dieser Frage zu unterstützen. Schon die wenigen Zuschauer, die im Herbst oder auch am 34. Spieltag in einzelnen Stadien sein durften, haben erneut verdeutlicht, wie sehr Fans auf den Rängen fehlen.