Task-Force-Konzept und Zuschauerrückkehr: Wichtige Unterschiede
24.09.2020 – In den vergangenen Wochen ist in Zusammenhang mit dem deutschen Profifußball vielfach von Konzepten die Rede – hinsichtlich der Organisation und Durchführung des Spielbetriebs der Bundesliga und 2. Bundesliga genauso wie mit Blick auf die Rückkehr von Zuschauern in die Stadien. Hierbei ist jedoch grundsätzlich zu unterscheiden zwischen dem für alle Clubs der Lizenzligen einheitlich geltenden medizinisch-hygienischen Konzept der „Task Force Sportmedizin/Sonderspielbetrieb“ von DFL und DFB für den Spiel- und Trainingsbetrieb einerseits und den standort-individuellen Konzepten der Clubs für eine Rückkehr von Stadionbesuchern andererseits.
Im Folgenden finden Sie Antworten auf häufig gestellte Fragen zum Thema.
Wo liegt der grundsätzliche Unterschied zwischen dem Task-Force-Konzept für den Sonderspielbetrieb und den Konzepten der Clubs für die Rückkehr von Zuschauern?
Beim Konzept der „Task Force Sportmedizin/Sonderspielbetrieb“ steht der Arbeitsschutz für rund um den Spielbetrieb tätige Arbeitnehmer wie Spieler, Trainer, Betreuer, Clubverantwortliche, Kameraleute, Regisseure oder Medienvertreter im Fokus. Es handelt sich bei der aktuellen Version 3.0 für die Saison 2020/21, die vollständig auf dfl.de zum Download zur Verfügung steht, um eine Weiterentwicklung desjenigen Konzepts, das die Basis für den Sonderspielbetrieb nach der corona-bedingten Unterbrechung in der zurückliegenden Spielzeit 2019/20 bildete. Das medizinisch-hygienische Task-Force-Konzept konzentriert sich insofern auf die Möglichkeit zur grundsätzlichen Durchführung des Spiel- und -trainingsbetriebs während der andauernden Corona-Pandemie – mit oder gezwungenermaßen auch ohne Stadionbesucher. Die im Konzept enthaltenen Vorgaben berücksichtigen daher die Konkretisierungen der Anforderungen an den Arbeitsschutz gemäß der vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales bekanntgegebenen „SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel“. Die auch für den Fußball zentral zuständige gesetzliche Unfallversicherung VBG sieht das Konzept im Einklang mit der „SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel“. Das Konzept ist als Anhang I Bestandteil der DFL-Spielordnung und gilt somit einheitlich und verbindlich für alle 36 Clubs der Bundesliga und 2. Bundesliga.
Die standort-individuellen Konzepte der Clubs der Bundesliga und 2. Bundesliga für eine Rückkehr von Zuschauern in die Stadien dienen hingegen der Ausrichtung eines Fußballspiels als lokaler Großveranstaltung. Diese individuellen Konzepte der Clubs, die jeweils Veranstalter ihrer jeweiligen Heimspiele sind, müssen daher von den zuständigen Gesundheitsbehörden vor Ort freigegeben werden. Es liegt angesichts der gemeinsamen Ziele aller Clubs im Umgang mit der Corona-Pandemie zwar auf der Hand, dass zwischen den einzelnen Konzepten der Clubs gewisse Parallelen bestehen, letztlich entscheidet aber jeder Club nach Abstimmung mit den lokalen Behörden eigenverantwortlich über die Inhalte seines Konzepts, das die Rückkehr der Zuschauer in die Stadien ermöglichen soll.
Warum gibt es kein zentrales Konzept für die Zuschauerrückkehr?
Die Stadien der Bundesliga und 2. Bundesliga unterscheiden sich in vielerlei Hinsicht voneinander. Die Konzepte der Clubs berücksichtigen die jeweils unterschiedliche Stadioninfrastruktur und allerorts unterschiedliche An-/Abreisewege genauso wie die jeweils geltende Verordnungslage und gegebenenfalls die epidemiologische Lage vor Ort.
Um die Clubs bei der Erarbeitung standort-individueller Konzepte zu unterstützen, hatte die DFL im Juli einen Leitfaden entwickelt und den Clubs zur Verfügung gestellt. Der Leitfaden diente als Orientierung für die Grundstruktur der dezentral zu erstellenden Konzepte und beinhaltet zahlreiche zu berücksichtigende Aspekte. Er wurde dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) seinerzeit vorab zur Bewertung vorgelegt. Das BMG hatte in diesem Zusammenhang betont, dass die konsequente Einhaltung höchster Infektionsschutzstandards Grundvoraussetzung sei, um Fußballspiele mit Publikum wieder möglich zu machen. Eine (Teil-) Zulassung von Zuschauern sollte demnach immer abhängig vom regionalen Infektionsgeschehen sein. Außerdem seien die lokalen Konzepte der Clubs entscheidend.
Dennoch ist nach den Beschlüssen zunächst der DFL-Mitgliederversammlung sowie später der Chefinnen und Chefs der Staats- und Senatskanzleien ein einheitliches Vorgehen in bestimmten Punkten der Zuschauer-Thematik erkennbar. Wie ist es dazu gekommen und in welchen Punkten gehen die Clubs konkret gemeinsam vor?
Die Clubs der Bundesliga und 2. Bundesliga hatten zunächst auf einer außerordentlichen Mitgliederversammlung am 4. August 2020 ein einheitliches Vorgehen in Zusammenhang mit einer möglichen Rückkehr von Stadionbesuchern bei Auswärts-Kontingenten, Stehplätzen, Alkoholausschank und Nachverfolgung von Infektionsketten beschlossen – konkret:
– einen Verzicht auf Eintrittskarten für Fans von Gastmannschaften bei Spielen der Bundesliga und 2. Bundesliga bis Jahresende, um das bundesweite Reiseaufkommen von Fans – teilweise in öffentlichen Verkehrsmitten – zu reduzieren und dadurch das potenzielle Infektionsrisiko zu verringern.
– einen Verzicht auf Stehplatzbesucher bei Spielen der Bundesliga und 2. Bundesliga bis 31. Oktober, um die schrittweise Anpassung der spieltagsbezogenen Abläufe an gänzlich neue Anforderungen im Zuschauerbereich zu ermöglichen und auf diesem Weg die Kontrolle der Einhaltung von Abstands- und Hygienestandards in den Stadien zu erleichtern. Diese Regelung wurde am 11. September um eine Ausnahmeregelung ergänzt, sofern und soweit in dem von einem Club genutzten Stadion die gesetzlich oder behördlich festgelegte zulässige maximale Zuschauerzahl bei einem Spiel nicht ohne die Nutzung auch von Stehplätzen erreicht werden kann. Mit dieser Ausnahmevorschrift sollen unbillige wirtschaftliche Nachteile für Clubs mit kleineren und mittleren Stadien und einem besonders hohen Stehplatzanteil vermieden werden. Die Zulassung von Stehplätzen muss aber selbstverständlich in Einklang mit allen gesetzlichen und behördlichen Vorgaben sowie mit den Bestimmungen des Ligastatuts stehen.
– einen Verzicht auf den Ausschank von alkoholischen Getränken bei Spielen der Bundesliga und 2. Bundesliga bis 31. Oktober.
– eine Verpflichtung, bei Spielen der Bundesliga und 2. Bundesliga sicherzustellen, dass im Fall von Infektionen die Identität und Kontaktdaten möglicher und eventuell betroffener Stadionbesucher ermittelt werden können, damit die örtlichen Gesundheitsbehörden Infektionsketten gegebenenfalls früh und effektiv unterbrechen können, wenn sie die entsprechenden Personen zügig ermitteln und kontaktieren können.
Unberührt von diesen Maßnahmen im Sinne eines größtmöglichen Infektionsschutzes bleibt das grundsätzliche Bekenntnis der DFL und ihrer Clubs zum Erhalt von Stehplätzen im Sinne der Fußball- und Fankultur in Deutschland ebenso wie das ausdrückliche Bekenntnis zum auch statuarisch fixierten Gästekarten-Kontingent.
Im Sinne eines einheitlichen Vorgehens haben die Chefinnen und Chefs der Staats- und Senatskanzleien am 15. September 2020 einen Beschluss dahingehend gefasst, dass ein sechswöchiger bundesweiter Probebetrieb unter Beachtung verschiedener Leitlinien (unter anderem wird eine Höchst-Zuschauerzahl von 20 Prozent der jeweiligen Stadionkapazität empfohlen) durchgeführt wird.
Im medizinisch-hygienischen Task-Force-Konzept und im Beschluss der Chefinnen und Chefs der Staats- und Senatskanzleien wird mit Blick auf die Infektionslage jeweils auf eine 7-Tages-Inzidenz Bezug genommen. Wie und zu welchem Zeitpunkt wird diese berechnet?
Auch hierbei ist zu unterscheiden zwischen dem Task-Force-Konzept für den Arbeitsschutz und den Konzepten der Clubs für die Rückkehr von Stadionbesuchern.
Gemäß dem Arbeitsschutz-Konzept der „Task Force Sportmedizin/Sonderspielbetrieb“ für die Saison 2020/21 sind die im Konzept enthaltenen Maßnahmen in Abhängigkeit von der jeweiligen Pandemie-Aktivität zu betrachten. Die Pandemie-Aktivität in diesem Sinne wird in drei Stufen eingeteilt, jeweils gemessen an der Zahl der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen:
– X < 5 Neuinfektionen (niedriges Pandemie-Level)
– 5 ≤ X < 35 Neuinfektionen (mittleres Pandemie-Level)
– X ≥ 35 Neuinfektionen (hohes Pandemie-Level)Für die Berechnung der Pandemie-Aktivität werden alle neuen Infektionsfälle der jeweils vergangenen sieben Tage im Landkreis des jeweiligen Clubs und in allen angrenzenden Landkreisen (bzw. kreisfreien Städten) jeweils zu der Gesamtzahl der Einwohner ins Verhältnis gesetzt. Zu verwendende Datenquelle ist das Dashboard des Robert-Koch-Instituts (RKI). Für die Bestimmung des Pandemie-Levels sind die Daten des Montags für die folgenden Spieltage Freitag/Samstag/Sonntag/Montag bzw. die Daten des Mittwochs für die folgenden Spieltage Dienstag/Mittwoch/Donnerstag maßgeblich. Die DFL veröffentlicht die für die jeweiligen 18 Austragungsorte des anstehenden Spieltags ermittelten Inzidenzwerte am Dienstag bzw. Donnerstag auf ihrer Webseite. Wichtig ist in diesem Zusammenhang: Die auf diesem Weg ermittelten Pandemie-Level wirken sich unmittelbar lediglich auf die konkreten Maßnahmen zur Gewährleistung des Arbeitsschutzes gemäß dem medizinisch-hygienischen Konzept der „Task Force Sportmedizin / Sonderspielbetrieb“ bei einem Spiel der Bundesliga oder 2. Bundesliga aus – nicht darauf, ob und in welchem Umfang Zuschauer zugelassen werden können.
Die Frage einer möglichen Zulassung von Zuschauern zu einem Spiel obliegt – auch mit Blick auf die entsprechende 7-Tages-Inzidenz und Berechnungsgrundlagen und -zeitraum hierfür – unverändert der Abstimmung des Heimclubs als Veranstalter mit den jeweils lokal zuständigen Behörden. Dabei wird – im Vergleich zum medizinisch-hygienischen Task-Force-Konzept für den Spiel-/Trainingsbetrieb – von den Behörden hinsichtlich der 7-Tages-Inzidenz teilweise nur auf den direkten Landkreis des Standortes des Stadions Bezug genommen. Im Beschluss der Chefinnen und Chefs der Staats- und Senatskanzleien heißt es dazu: „Das aktuelle regionale Pandemiegeschehen (7-Tages-Inzidenz/100.000 Einwohner) wird berücksichtigt. Maßgeblich sind die Zahlen des Robert-Koch-Instituts. Keine Zulassung von Zuschauern erfolgt in der Regel, wenn die 7-Tages-Inzidenz pro 100.000 Einwohner am Austragungsort größer gleich 35 und das Infektionsgeschehen nicht klar eingrenzbar ist. Stets bedarf es einer engen Abstimmung mit den örtlich zuständigen Gesundheitsämtern.“
Wer ist für die Einhaltung der Maßnahmen verantwortlich?
Auch hierbei ist zu unterscheiden zwischen dem Task-Force-Konzept für den Arbeitsschutz und den Konzepten der Clubs für die Rückkehr von Stadionbesuchern.
In Bezug auf das medizinisch-hygienische Konzept der Task Force tragen vor dem Hintergrund, dass die darin enthaltenen Vorgaben die Anforderungen an den Arbeitsschutz gemäß der vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales bekanntgegebenen „SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel“ umsetzen, die Clubs der Bundesliga und 2. Bundesliga die Verantwortung für die jeweilige Umsetzung der im Konzept festgehaltenen Maßnahmen des Arbeitsschutzes. Die Verantwortung der Clubs umfasst damit auch die Möglichkeit der Sanktionierung ihrer Spieler und anderer Arbeitnehmer auf Grundlage des Arbeitsvertrages für den Fall, dass diese im Trainingsbetrieb oder im privaten Umfeld, also außerhalb der unmittelbaren Vorbereitung, Organisation und Durchführung eines Spiels gegen Verhaltenspflichten aus dem Konzept verstoßen. Andere Verstöße von Spielern sowie Verstöße von Clubs gegen ihre (Organisations-) Pflichten können durch DFB oder DFL sanktioniert werden, da das Konzept durch die statuarische Verankerung als Anhang I zur DFL-Spielordnung, die am 3. September von der DFL-Mitgliederversammlung beschlossen wurde, verbandsrechtliche Verbindlichkeit für alle Clubs hat. Verstöße gegen die Vorgaben des Konzepts im Stadion im engen zeitlichen Zusammenhang zu einem Spiel fallen in die Zuständigkeit der DFB-Sportgerichtsbarkeit.
In Bezug auf die Rückkehr von Stadionbesuchern sind die Heimclubs als Veranstalter für die Einhaltung der im jeweiligen standort-individuellen Konzept verankerten Maßnahmen verantwortlich. Mögliche Reaktionen auf eventuelle Verstöße erfolgen demgegenüber in erster Linie durch die örtlichen Gesundheitsbehörden.
Gelten bei einer Rückkehr von Zuschauern andere Vorgaben für die im Arbeitsschutz-Konzept genannten Personengruppen?
Grundsätzlich gelten für alle im medizinisch-hygienischen Konzept berücksichtigten Personengruppen während des Sonderspielbetriebs die im Konzept festgehaltenen Regelungen, auch dann, wenn Zuschauer zugelassen sind – und wohlwissend, dass dies beispielsweise auch dazu führen könnte, dass Zuschauer in Gruppen bis zu einer gewissen Personenzahl ohne Abstände zusammensitzen dürfen, während für die im medizinisch-hygienischen Konzept berücksichtigten Personengruppen wie Ersatzspieler oder Delegationen weiterhin die im Konzept festgehaltenen Maßnahmen gelten. Vor dem Hintergrund, dass alle im Konzept berücksichtigten Personengruppen sich auch dann im Stadion aufhalten dürfen, wenn keine Zuschauer zugelassen sind, gelten für diese stets die im Konzept für das jeweilige Pandemielevel festgehaltenen Maßnahmen.
Stand: 24.09.2020