Serie über die Fanarbeit der DFL – Teil 1: Die Historie
- Neue Serie: Einblicke in die Fanarbeit der DFL
- Teil 1: Wie alles begann – Einrichtung einer Koordinationsstelle für Fanarbeit bei der DFL
25.10.2019 – Im ersten Teil der neuen Serie möchten wir Ihnen Einblicke in die Entstehungsgeschichte der Abteilung Fanangelegenheiten bei der DFL geben. Was waren die Eckpfeiler und Bezugspunkte des ersten Konzepts? Wie verliefen die weiteren Schritte der Professionalisierung der Fanarbeit?Antworten auf diese Fragen sowie weitere Hintergründe finden Sie im Folgenden:
Wann und vor welchem Hintergrund ist die DFL-Abteilung Fanangelegenheiten entstanden?
Zu Beginn des Jahres 2005 gab es erste Überlegungen, bei der DFL eine Koordinationsstelle für Fanarbeit einzurichten. Die DFL-Geschäftsführung tauschte sich hierzu mit Thomas Schneider aus, seinerzeit noch Leiter der Koordinationsstelle Fanprojekte (KOS) bei der Deutschen Sportjungend (dsj). In mehreren Gesprächen wurde ein Konzept vereinbart, welches mit Beginn der Saison 2006/07 und mit einem Koordinator Fanangelegenheiten umgesetzt werden sollte. Thomas Schneider übernahm diese Aufgabe und wechselte im August 2006 zur DFL.
Gleich zu Beginn wurde im Rahmen einer ersten Fanbeauftragten-Vollversammlung das DFL-Konzept vorgestellt und ein neues Selbstverständnis des Profifußballs in Sachen Fanarbeit deutlich unterstrichen: Insbesondere die Bedeutung der unterschiedlichen Fangruppen und der Aufbau stetiger und belastbarer Kommunikationsstrukturen spielten eine wichtige Rolle. Die DFL wollte dabei Fanarbeit nicht als bloßes Kriseninstrument verstanden wissen, sondern legte von Anfang an Wert auf die gestalterische und systemisch ordnende Aufgabe.
Welche Herangehensweisen und welches Verständnis von Fanarbeit waren in dem Konzept konkret formuliert?
Das Konzept der DFL nahm Bezug auf ein seit vielen Jahren in Deutschland ausgeprägt entwickeltes Feld unterschiedlicher Betreuungs- und Vertretungssysteme:
- sozialpädagogische Fanbetreuung (KOS, Fanprojekte)
- vereinsbezogene Fanunterstützung (Clubs, Fanbeauftragte)
- unabhängige, vereinsübergreifende Fan-Selbstorganisationen (u.a. BAFF, ProFans)
Diese zum Teil seit über 20 Jahren bestehenden Netzwerke galt es zu respektieren und sich in diesem Beziehungsgeflecht eine eigenständige Position zu erarbeiten. Im Gespräch sein mit allen Beteiligten, geeignete zusätzliche Formate für Kommunikation, Dialog und Prävention aufspüren – so lautete zunächst die Beschreibung zur Implementierung einer Stelle für DFL-Fanangelegenheiten.
In einem erweiterten Verständnis von Fanarbeit, die sich nicht bloß an Auffälligkeiten und Störungen orientieren sollte, wurde recht schnell die Arbeit der Kids-Clubs und die Behindertenfanbetreuung angegangen.
Dazu kamen die adressatengerechte und partizipative Konzeption geeigneter Fortbildungsformate für Fan- und Behindertenfanbeauftragte, Verantwortliche der Kids-Clubs, erste Informationsveranstaltungen im Kontext Anti-Rassismus und Anti-Diskriminierung.
Zudem sollte sich das Feld der clubseitigen Fanarbeit künftig an gemeinsam zu entwickelnden Standards orientieren und weiterentwickeln. Leuchtturm-Projekt der Anfangsjahre war daher das „Fanarbeit 2010 – Handbuch für Fanbeauftragte“, das erstmals den Versuch einer Einordnung der Fanarbeit der Fußballclubs im Spannungsfeld von Sicherheit und Prävention unternahm. Mithilfe des Handbuchs definierte sich das Berufsbild neu und ordnete sich in die (durch den Zehn-Punkte-Plan vorangetriebene) bevorstehende Professionalisierungswelle im Fußball ein.
Vor dem Hintergrund der erfolgreichen Weiterentwicklung der Fanarbeit in Clubs sowie Fanprojekten baute die DFL die Personal- und Sachressourcen stetig aus, die Abteilung Fanangelegenheiten entstand mit zunächst 2,5 Stellen.
Was verbirgt sich hinter dem „Zehn-Punkte-Plan“ und welche Auswirkungen hatte dieser auf die Arbeit der DFL-Abteilung Fanangelegenheiten?
Insbesondere mit Blick auf den „Zehn-Punkte-Plan“ als Ergebnis eines „Runden Tischs“ zwischen den Vertretern der Ständigen Konferenz der Innenminister und- senatoren der Länder (IMK) und Vertretern von DFL und DFB im Jahre 2011 erhielt die Fanarbeit innerhalb der DFL einen noch höheren Stellenwert.
Wurden in den ersten Jahren insbesondere die vorhandenen Strukturen der Fanarbeit ausgebaut und qualifiziert, so wurde mit Inkrafttreten des Zehn-Punkte-Plans eine Phase der Professionalisierung und erweiterten Netzwerkarbeit eingeleitet: Fan- und Sicherheitsbeauftragte mussten von den Clubs der Bundesliga und 2. Bundesliga ab der Spielzeit 2011/12 als Hauptamtliche ein- und angestellt werden, Fortbildungen für diese waren verpflichtend. Zudem wurden die Regionalkonferenzen als Plattform zur besseren Zusammenarbeit von staatlichen und clubseitigen Sicherheitsakteuren – in den ersten beiden Jahren nur für Standorte der Bundesliga und 2. Bundesliga – eingeführt. Zudem wurde zeitweise ein wissenschaftlicher Beirat der DFL implementiert, der Akzente setzte, indem fußballspezifische Erscheinungen in gesellschaftliche Kontexte transformiert und anschließend im Verbund von Clubs und Polizei bearbeitet werden konnten.
Abseits der die Sicherheitsinteressen betreffenden Themen hat die DFL-Abteilung Fanangelegenheiten ständig auch an Themen wie der Weiterentwicklung der Kids-Clubs gearbeitet, die sich über jährliche Vollversammlungen und eine große Tagung „Bundesliga und Kinder“ (2008) zu einem wichtigen Aspekt für die Clubs entwickelten und – ausgehend von etwa 30.000 Kindern (2006) – relativ schnell auf 100.000 Kinder (2012) anwuchsen. Sommercamps der Kids-Clubs und Aktionsspieltage (Leseförderung, Bewegungs- und Gesundheitserziehung und vieles mehr) waren eine Basis für verbesserte (erlebnis-)pädagogische Arbeit und höher gesteckte Ziele. Eine wissenschaftliche Begleitforschung der Universität Mainz verbesserte die Grundlagen für Ziele und Konzepte in der frühpräventiven Arbeit mit Kindern, später auch Jugendlichen.
Wie veränderten sich die Rahmenbedingungen der Abteilung mit Blick auf die erweiterte Netzwerkarbeit und neue Projekte?
Um die im Zehn-Punkte-Plan festgehaltenen Ziele qualifiziert umzusetzen, schaffte die DFL neue Rahmenbedingungen, unter anderem durch die personelle Erhöhung des Teams Fanangelegenheiten auf zunächst fünf, später sechs Vollzeitstellen. Daraufhin wurden zahlreiche weitere präventive Maßnahmen und Projekte initiiert und implementiert, die in späteren Texten im Rahmen dieser Serie erläutert werden, so etwa: Der „Pool zur Förderung innovativer Fußball- und Fankultur“, kurz: PFiFF; der Ausbau eines Zertifizierungs- und Fortbildungsprogramms für die unterschiedlichen Akteure von Fan- und Zuschauerbetreuung; die Einführung eines Zertifikatsstudiengangs „Fan- und Zuschauermanagement“ mit der Fachhochschule Potsdam und der Universität Kassel – um nur einige Beispiele zu nennen.
Gemeinsam mit dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) wurde die größte deutsche Fußballfan-Studie (mit drei Teilstudien der Universität Bielefeld, Universität Kassel, Fachhochschule Potsdam) finanziert. Die Zusammenarbeit mit der BundesBehindertenFanArbeitsgemeinschaft (BBAG) wurde intensiviert, eine enge Kooperation mit der Aktion Mensch wurde aufgebaut, mit dem Bundesverband der Arbeiterwohlfahrt (AWO) und später mit dem Verein AWO-Passgenau wurden weitere Projekte initiiert und gefördert. Dazu zählt die Einrichtung eines „Zentrums für Sehbehinderten- und Blindenreportage in Gesellschaft und Sport“ und die „KickIn! – Beratungsstelle Inklusion im Fußball“. Zudem wurden zahlreiche Publikationen veröffentlicht, beispielsweise „Barrierefrei im Stadion“, die Broschüre zu fünf Jahren PFiFF, ein gemeinsames Leitbild der Kids-Clubs und einige mehr. Ende 2015 hat die DFL das operative Geschäft der AG Fankulturen übernommen. Diese und weitere Impulse, Projekte und Publikationen werden im weiteren Verlauf der Serie noch thematisiert.
Im nächsten Teil unserer Serie werden wir auf Meilensteine der Fanarbeit zurückblicken. Alle künftigen Teile der Serie lesen Sie zunächst im DFL-Fan-Letter, für den Sie sich hier anmelden können.