Seit 1991 ist Werner Möglich (Foto) für die Lizenzierung zuständig – zunächst in Diensten des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), anschließend als Direktor der DFL Deutsche Fußball Liga. Nach Ausbildung zum Bankkaufmann, BWL-Studium in Gießen und Traineeprogramm bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau wechselte der 1962 in Wetzlar geborene Möglich zum DFB. Im Interview spricht er über die Entwicklung des Lizenzierungsverfahrens, Vorteile für Clubs und Bundesliga sowie Unterschiede zu Verfahren in anderen Ländern.
Herr Möglich, seit wann gibt es das Lizenzierungsverfahren der Bundesliga?
Werner Möglich: Grundsätzlich schon seit Gründung der Bundesliga. Als die Bundesliga 1963 gestartet wurde, haben die handelnden Personen schnell gemerkt, dass ausschließlich die sportliche Qualifikation als Voraussetzung für die Teilnahme am Spielbetrieb nicht ausreicht. Die Bundesligisten haben sofort damit begonnen, erste wirtschaftliche Kriterien festzulegen, deren Erfüllung jährlich nachzuweisen war. Relativ schnell kamen weitere Kriterien hinzu, beispielsweise hinsichtlich der Stadien in Sachen Größe und Ausstattung. Aus diesen Anfängen hat sich ein heute sehr umfangreiches Verfahren entwickelt, in dem die Clubs zahlreiche Kriterien erfüllen müssen.
Sie selbst sind seit über 30 Jahren mit dem Lizenzierungsverfahren vertraut. Ist der heutige Ablauf noch mit dem in Ihrer Anfangszeit vergleichbar?
Möglich: Als ich beim DFB angefangen habe, gab es noch immer nur relativ wenige Kriterien. Mit dem heutigen Verfahren ist das nicht mehr zu vergleichen. Der Prüfungsumfang ist viel intensiver und detaillierter als damals. Das liegt nicht zuletzt daran, dass sich der Lizenzfußball in allen Bereichen enorm entwickelt hat. Man kann davon ausgehen, dass in der Lizenzierungsordnung fast jedes Jahr einige Änderungen und Anpassungen vorgenommen werden. Das Verfahren wird ständig weiterentwickelt und wird schon seit einigen Jahren zwischen DFL und Clubs über eine webbasierte Plattform abgewickelt. Heute werden die Clubs beim Lizenzierungsverfahren nach sportlichen, finanziellen, rechtlichen, personellen und administrativen, Stadion- (Infrastruktur und Medien), VBL- (Virtual Bundesliga) und Nachhaltigkeitskriterien überprüft.
Stehen diese Kriterien alle gleichberechtigt nebeneinander?
Möglich: Nicht alle Kriterien, die in der Lizenzierungsordnung festgelegt sind, müssen erfüllt werden. Die VBL- und die Nachhaltigkeitskriterien sind B- bzw. C-Kriterien. Sollten diese nicht erfüllt werden, wird die Lizenz nicht verweigert. Es können in diesem Fall aber Sanktionen festgelegt werden. Die übrigen Kriterien sind alle zu erfüllen. Wenn ein Kriterium absolut nicht erfüllt wird, gibt es keine Lizenz – unabhängig davon, welches das ist. Bevor es dazu kommt, erhalten die Clubs allerdings in der Regel durch die Erfüllung von Bedingungen beziehungsweise die Einhaltung von Auflagen die Möglichkeit, eine Lizenz zu erhalten.
Sie sprechen Bedingungen und Auflagen an: Wo liegt da der Unterschied?
Möglich: Bedingungen werden zum Beispiel festgelegt, wenn die Überprüfung der Lizenzierungsunterlagen ergibt, dass die Liquidität des Lizenzbewerbers für die kommende Spielzeit nicht gesichert ist. Dieses wirtschaftliche Kriterium muss zwingend vor der Saison erfüllt werden. Da liegt die Messlatte sehr hoch. Sind dort Lücken vorhanden, werden Bedingungen festgelegt, die der Club bis zu einem Stichtag erfüllen muss. Gelingt das nicht, kann die Lizenz nicht erteilt werden. Darüber hinaus gibt es Kriterien, die möglicherweise zum Zeitpunkt der Bewerbung noch nicht in der vorgeschriebenen Form erfüllt sind, an denen die Lizenzerteilung aber nicht unmittelbar scheitert. In einem solchen Fall wird die Lizenz unter Auflagen erteilt, die während der Saison eingehalten werden müssen. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn ein Verein aus der 3. Liga in die 2. Bundesliga aufsteigt, sein Stadion aber noch nicht den notwendigen Anforderungen entspricht.
Welche Vorteile bringt das Lizenzierungsverfahren den Clubs?
Möglich: Es sorgt im Sinne aller Clubs dafür, den Spielbetrieb zu sichern, die Stabilität zu gewährleisten, die Integrität des Wettbewerbs zu erhöhen und die Qualität und damit auch die Vermarktung zu fördern. Darüber hinaus ist es wichtig zu betonen, dass sich die Clubs dieses Verfahren selbst auferlegt haben. Was von der DFL kontrolliert wird und nach welchen Richtlinien die Überprüfung abläuft, ist von der Mitgliederversammlung durch die Statuten festgelegt worden. Die Clubs sind immer daran interessiert, das Verfahren zu optimieren, um so die eigene Entwicklung voranzutreiben und die Bundesliga und 2. Bundesliga insgesamt weiter nach vorne zu bringen. Das ist das eigentliche Erfolgsgeheimnis unseres Lizenzierungsverfahren in Deutschland, dass die Clubs ein solches Verfahren haben wollen und es selbst bestimmen.
Gibt es in anderen Ländern ein vergleichbares Lizenzierungsverfahren?
Möglich: Es gibt viele Länder und auch andere Sportarten, die unser Vorgehen als Vorbild betrachten und ebenfalls anwenden wollen. Mittlerweile führen alle größeren Ligen auf nationaler Ebene ein Lizenzierungsverfahren durch, die spanische Primera División zum Beispiel aber erst seit wenigen Jahren. Es ist ein Verdienst des Lizenzierungsverfahrens in Deutschland, dass noch nie ein Lizenzclub innerhalb einer laufenden Saison aus finanziellen Gründen den Spielbetrieb einstellen musste.
Würden Sie das Lizenzierungsverfahren als Gütesiegel der Bundesliga und 2. Bundesliga bezeichnen?
Möglich: Clubs, Fans, Partner, Medien – alle profitieren vom Lizenzierungsverfahren. Es bringt für die Clubs und die Bundesliga und 2. Bundesliga nur Vorteile: Die Clubs sind wirtschaftlich stabil, die Stadien in einem sehr guten Zustand, jeder Verein betreibt Nachwuchsförderung, die Medienschaffenden finden gute Arbeitsbedingungen vor und die Vereine sind rechtlich, personell sowie verwaltungstechnisch hervorragend aufgestellt. Das alles führt zu diesem hohen Standard, den wir heute haben. Ein Präsident eines Lizenzclubs hat einmal zu mir gesagt: „Herr Möglich, wenn wir unser Lizenzierungsverfahren noch nicht hätten, müssten wir es sofort erfinden und zwar genauso, wie es jetzt ist.“