„Die Stadionallianzen haben sich bewährt“
Seit der Saison 2017/18 setzen die DFL und die Landesinformationsstelle Sporteinsätze des Innenministeriums Baden-Württemberg auf eine spezielle Allianz, um die Zusammenarbeit der beteiligten Sicherheitsakteure zu intensivieren. Daraus resultiert unter anderem die Reduktion der Anzahl der im Umfeld von Fußballspielen eingesetzten, polizeilichen Einsatzkräfte.
Dem Beispiel aus Baden-Württemberg folgend, werden Stadionallianzen mittlerweile auch in Niedersachsen (seit Dezember 2019), Bayern (seit Juli 2022) und Hessen (seit September 2022) umgesetzt. Im Lauf des Jahres 2023 sind drei weitere Bundesländer hinzugekommen, um Stadionallianzen gemeinsam mit der DFL zu entwickeln und umzusetzen – dies sind Berlin, Bremen und Sachsen.
Im Folgenden beantworten wir wichtige Fragen und Antworten zu den Stadionallianzen:
Was ist das Ziel der Stadionallianzen?
Ziel der Stadionallianzen ist die Intensivierung und Weiterentwicklung der Zusammenarbeit von Clubs, Fanprojekten, städtischen Behörden und polizeilichen Sicherheitsbehörden bei der Organisation und Durchführung von Fußballspielen.
Wesentliche Grundlage der Stadionallianzen sind veränderte, insbesondere verbindliche Kommunikations- und Entscheidungsstrukturen, eine gemeinsame Risikoprognose und damit auch ein angepasster Kräfteeinsatz der Polizei. Dadurch sollen Konfliktsituationen reduziert und die Sicherheit erhöht werden. Den Kern der Stadionallianzen bildet eine intensivierte spieltagsbezogene Zusammenarbeit von Clubs, Fanprojekten, Kommunen und der Polizei vor allem zwischen entscheidungsbefugten Verantwortlichen, die vor, während und nach einem Spiel gemeinsame Entscheidungen treffen und diese auch nach außen gemeinsam tragen.
Gemeinsames Anliegen ist, das Zusammenwirken der beteiligten Akteure weiter zu vertiefen. In Bezug auf die grundsätzlich klar abgegrenzten Verantwortungsbereiche wachsen dadurch auch Verständnis und Vertrauen – bei gleichzeitiger Nutzung von Synergien. Denn die gemeinsame Haltung verdeutlicht: Mehr Sicherheitskräfte bedeuten nicht automatisch mehr Sicherheit, eine klare Aufgabenteilung und intensive Abstimmung zwischen den Akteuren hingegen stärkt die Handlungssicherheit vor Ort.
Konzepte wie dieses können eine Lastenteilung ermöglichen, die sowohl das Sicherheitsgefühl als auch das gesamte Stadionerlebnis weiter optimieren – und zugleich Ressourcen schonen.Wie sind die Stadionallianzen entstanden?
Im Oktober 2016 wurden drei Fan-Studien der DFL und des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) im Nationalen Ausschuss Sport & Sicherheit vorgestellt (Untersuchungs-/Forschungszeitraum: 2013 bis 2016). Die Studien bieten einen grundlagenwissenschaftlichen Blick unter anderem mit dem Ziel einer verbesserten Verständigung von Akteuren im Profifußball. Im Frühjahr und Sommer 2017 wurde auf Initiative der Landesinformationsstelle Sporteinsätze beziehungsweise des Landespolizeipräsidiums Baden-Württemberg gemeinsam mit der DFL auf Grundlage der Studien ein Maßnahmenpaket für Baden-Württemberg entwickelt. Die Fachhochschule Potsdam, maßgeblich beteiligt an den drei Fan-Studien, leistete mit ihrer Mitarbeit an den „Fachtagungen Stadionallianzen“ zudem einen wertvollen Beitrag.
Schon im Dezember 2019 schloss sich mit Niedersachsen das zweite Bundesland an und installierte das Konzept der Stadionallianzen an seinen Standorten.
2022 finanzierte das Bundesministerium des Innern und für Heimat eine wissenschaftliche Dokumentation zu den laufenden Stadionallianzen, die von der Fachhochschule Potsdam durchgeführt und im Januar 2023 veröffentlicht wurde.Die in Bayern, Berlin, Bremen, Hessen und Sachsen begonnenen Stadionallianzen entwickeln – mit Unterstützung der DFL – jeweils eigene Herangehensweisen; dies erfolgt jeweils unter Moderation der Kompetenzgruppe Fankulturen und Sport bezogene Soziale Arbeit („KoFaS“).
Wie gestaltet sich die Arbeit innerhalb der Stadionallianzen konkret?
Den Kern der Arbeit bilden folgende Voraus- bzw. Zielsetzungen:
• Schaffung politischer Rahmenbedingungen und die Bereitschaft, gemeinsam neue Wege zu gehen
• Arbeit in standortbezogenen Kleingruppen, Aufbau belastbarer und kompetenter Beziehungen im örtlichen Verbund
• Verabredung verbindlicher Strukturen – passgenau für die jeweiligen Standorte
• Anerkennung der gegenseitigen Expertise
• Schaffung einer Mentalität von Gemeinschaftlichkeit zur Durchführung einer Großveranstaltung
• Benennung und Einigung auf Ansprechpersonen der Standorte für Innenministerium/Landespolizeipräsidium
• Verknüpfung regionaler Methodik mit grundlagenwissenschaftlichen ErkenntnissenWelche Netzwerkpartner stehen im Rahmen der Stadionallianzen genau im Austausch?
Dies sind: Bundespolizei, Polizeien der Länder, Veranstaltungsleiterinnen und -leiter, Sicherheitsbeauftragte, die Fanbetreuung der Clubs, von Clubs eingesetzte Ordnungsdienste, kommunale Stellen, Feuerwehr und Rettungsdienste, Fanprojekte, Gastclub-Ordner und Gastclub-Fanbetreuung.
Hervorzuheben ist, dass die Entwicklung und Auslegung der Konzepte für Stadionallianzen vor Ort verantwortet werden und das jeweilige Innenministerium als Partner und nicht als „Kontrolleur“ gesehen wird. Über das Innenministerium wird jedoch eine wichtige politische Rückendeckung für die handelnden Akteurinnen und Akteure der lokalen Stadionallianzen abgesichert.Wie ist der aktuelle Stand?
Die Coronapandemie hatte zur Folge, dass in den Spielzeiten 2019/20, 2020/21 und 2021/22 durch die massiven Beschränkungen des öffentlichen Lebens phasenweise nur wenige oder gar keine Fans die Spiele der Bundesliga und 2. Bundesliga besuchen konnten. Dies hat die Stadionallianzen in ihrer Umsetzung erheblich beeinflusst – durch das weitgehende Fehlen von Zuschauerinnen und Zuschauern rückten auch polizeiliche und sicherheitsdienstliche Einsätze bzw. Belange in den Hintergrund. Dennoch wurden die eingeführten Allianzen mit ihren zuvor entwickelten Strukturen auch in der Hochphase der Pandemie fortgesetzt, auch wenn es die gewohnten Spieltagsabläufe in der funktionsübergreifendenden Zusammenarbeit weitgehend nicht gab.
Im Mai und Juni 2021 wurden auf Einladung der Innenministerien aus Baden-Württemberg und Niedersachsen in Zusammenarbeit mit der DFL jeweils Online-Veranstaltungen durchgeführt, zu denen alle relevanten Netzwerkpartner eingeladen waren. In beiden Veranstaltungen wurde durch entsprechende Schilderungen deutlich, dass der vielfältige Austausch innerhalb der Standorte trotz der vorherrschenden Pandemie Bestand hat.
Schritt für Schritt fielen im weiteren Verlauf des Jahres 2021 und 2022 die Corona-Beschränkungen weg, so dass wieder vermehrt Zuschauerinnen und Zuschauer in die Stadien der Bundesliga und 2. Bundesliga durften – bis hin zur jeweiligen Vollauslastung. Um den Status Quo und die wieder steigende Relevanz der Stadionallianzen rund um Spieltage zu erörtern, erfolgte im Mai 2022 eine Zusammenkunft aller Stadionallianzen Baden-Württembergs in Freiburg.
Im Juli 2022 wurden bei einer zweitätigen Auftaktveranstaltung in Regensburg die Stadionallianzen im Bundesland Bayern gestartet. Im Rahmen einer einjährigen Probephase wird das Konzept zunächst an den Standorten München und Regensburg umgesetzt. Das Bayrische Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration hat im Sommer 2023 im Austausch mit den Projektbeteiligten sowie der Landesinformationsstelle für Sporteinsätze Bayern bereits die Weichen für eine Ausweitung der bayerischen Stadionallianzen auf weitere Standorte gestellt. Diese sollen im Laufe dieser Saison genauer identifiziert werden, so dass hier voraussichtlich im Sommer 2024 neue Standorte in das Netzwerk einsteigen.
Im August 2022 trafen sich alle Projektbeteiligten der bestehenden Stadionallianzen Niedersachsens, um im Rahmen einer zweitätigen Präsenzveranstaltung in Hannover den aktuellen Projektstand mit Blick auf die Saison 2022/23 zu besprechen. 2023 fand das niedersächsische Treffen im September in Osnabrück statt.
Im September 2022 erfolgte eine zweitätige Auftaktveranstaltung in Frankfurt, um die Stadionallianzen im Bundesland Hessen ins Leben zu rufen. Dafür trafen sich Vertretende von insgesamt sechs Clubs aus der Bundesliga, 2. Bundesliga, 3. Liga und der Regionalliga sowie Verantwortliche der entsprechenden Fanprojekte, der hessischen Landespolizei sowie der Bundespolizei. Die hessischen Stadionallianzen kamen im September 2023 erneut zusammen und können sich inzwischen weitergehende Ziele setzen.
2023 wurden auch in Berlin und Bremen sowie im Flächenland Sachsen jeweils neue Stadionallianzen gebildet, die in länderspezifischen Tagungen ihre eigenen Ziele und Herangehensweisen erarbeiteten. Im Rahmen von gemeinsamen Tagungen wurden die ersten Ziele und das künftige Miteinander abgestimmt. Einzelne Standorte werden zum Teil eng begleitet – durch gezielte länderspezifische Unterstützungsmaßnahmen wie Coachings oder Prozessbegleitung.
Bei der Sitzung des Nationalen Ausschuss Sport & Sicherheit im November 2023 stellt die DFL den Stand der Entwicklungen vor, erläutert den Nutzen von Stadionallianzen und hofft darauf, dass sich weitere Bundesländer für eine Implementierung interessieren.Im April 2024 hat die DFL das Format „Regionalkonferenzen“ neu aufgelegt. Die Regionalkonferenzen sind das größte bundesweite Branchentreffen im Bereich Prävention und Sicherheit und finden seit 2011 alle zwei Jahre statt. Durch die Coronapandemie wurde dieser Turnus unterbrochen, sodass nach 2019 eine (Zwangs-)Pause von knapp 5 Jahren bis zur letzten Regionalkonferenz lag. Teilnehmende dieser Konferenzen sind Vertretende der Polizeien der Länder und des Bundes, die Fan- und Sicherheitsbeauftragten sowie die Veranstaltungsleitenden der Clubs und Kapitalgesellschaften, Mitarbeitende der Fanprojekte, Verbandsvertretende sowie ggf. externe Gäste. Im Rahmen des Neustarts der Regionalkonferenzen wurden auch die Stadionallianzen thematisiert. Teilnehmende aus ganz Deutschland hatten die Gelegenheit, sich mit Personen auszutauschen, die bereits in solchen Stadionallianzen zusammenarbeiten, und von deren Erfahrungen zu profitieren.
Im August 2024 fand die zweite Stadionallianztagung im Bundesland Sachsen statt. Im Oktober 2024 tagt das Bundesland Niedersachsen wieder mit allen Standorten, an denen sich lokale Stadionallianzen etabliert haben.
Wie lauten die bisherigen Ergebnisse der Stadionallianzen?
Insgesamt sind an allen Standorten eine verbesserte Zusammenarbeit und Kommunikation aufgebaut sowie das Vertrauen untereinander gestärkt worden. Gleichzeitig konnten Einsatzbelastungen reduziert werden, was das Beispiel Baden-Württemberg belegt: In der Saison 2017/18, als die Allianz erstmals zur Wirkung kam, wurde die Einsatzbelastung der Polizei im Vergleich zur Vorsaison 2016/17 ligenübergreifend um insgesamt mehr als 25.000 Stunden gesenkt. In der darauffolgenden Saison 2018/19 gelang eine weitere Entlastung um zusätzliche 5.000 Stunden. Darüber hinaus ist im gesamten Zeitraum ein Rückgang der Strafanzeigen um etwa 20 Prozent sowie von verletzten Personen um etwa zehn Prozent im Umfeld der Spiele zu verzeichnen – und dies bei einem weiterhin hohen Sicherheitsniveau.
Aufgrund der teils massiven Einschränkungen durch die Coronapandemie können die Zahlen der nachfolgenden Spielzeiten nicht als valide Vergleichsgröße dienen. Derzeit arbeiten alle Beteiligten in den Ländern daran, ihre eigenen Kennzahlen zu erheben und zu kontextualisieren. Ebenfalls befindet sich die DFL in Abstimmung mit den Landeskoordinatoren über die künftige Zusammenarbeit, um unter anderem ein mögliches Instrument zur Wirkungsmessung zu entwickeln.Was ist die Zielsetzung für die aktuelle Spielzeit 2024/25?
Bei den bestehenden Stadionallianzen bleibt das Ziel, weniger Polizeieinsatzstunden bei hohem Sicherheitsniveau zu erzielen. Die bisherigen Erfahrungen, vor allem aus Baden-Württemberg und Niedersachsen, haben ein verstärktes Interesse am Konzept der Stadionallianzen erzeugt. Gespräche mit weiteren Bundesländern haben bereits in 2023 zu weiteren Kooperationen zur Einrichtung von Stadionallianzen geführt – insgesamt sind es nun sieben. Mit nunmehr insgesamt sieben Einzelveranstaltungen der aktuell beteiligten Bundesländer konnten wir im Kalenderjahr 2023 einen erheblichen Zuwachs erzielen.
In der ersten Jahreshälfte 2024 stand die in Deutschland ausgetragene Fußball-Europameisterschaft der Herren vom 14. Juni bis 14. Juli im Fokus. Die lokalen Stadionallianzen an den unterschiedlichen Standorten haben ihre Arbeit in dieser Zeit weiter umgesetzt. Neben den Stadionallianztagungen in allen Bundesländern, die im Laufe der aktuellen Saison stattfinden werden, tagen zudem die Landeskoordinatorinnen und -koordinatoren regelmäßig auf Einladung der DFL, um sich auf dieser Ebene miteinander auszutauschen.
Zudem wurde durch das Bundesministerium des Innern und für Heimat eine Fortsetzung der wissenschaftlichen Dokumentation zu allen sich etablierten Stadionallianzen in Auftrag gegeben. Federführend hier war erneut die Fachhochschule Potsdam. Eine Veröffentlichung der Ergebnisse steht unmittelbar bevor.
Wie haben sich Projektbeteiligte geäußert?
Bundesinnenministerin und Sportministerin Nancy Faeser: „Prävention wirkt und verhindert Gewalt. Die Stadionallianzen haben Erfolg und sorgen für mehr Sicherheit im Fußball. Das sind sehr erfreuliche Ergebnisse.“
Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl: „Mit unseren Stadionallianzen haben wir Pionierarbeit geleistet. Kommunikation auf Augenhöhe statt Konfrontation, Vertrauen statt Misstrauen, gemeinsam statt gespalten – Vereine, Verbände, Fanprojekt, Kommunen und Polizei haben für die Sicherheit bei Fußballspielen in Baden-Württemberg zusammen angepackt und an einem Strang gezogen. Damit hatten wir einen doppelten Erfolg erzielt: Wir haben die Sicherheit bei Fußballspielen erhöht und die Einsatzstunden der Polizei gleichzeitig deutlich reduziert.“
Der bayerische Innen- und Sportminister Joachim Herrmann: „Ein wesentliches Element für den sicheren und reibungslosen Ablauf von Fußballspielen ist die etablierte und gute Netzwerkarbeit zwischen Polizei, Sicherheitsbehörden, Fußballvereinen und Fußballverbänden sowie den Fanprojekten. Und genau hier knüpft unser Pilotprojekt erfolgreich an: die bayerischen Stadionallianzen.“Ansgar Schwenken, Mitglied der DFL-Geschäftsleitung sowie Direktor Spielbetrieb & Fans: „Die Stadionallianzen, die in Baden-Württemberg ihren Anfang genommen haben, sind inzwischen in sieben Bundesländern eingeführt und haben sich bewährt. Die intensivierte spieltagsbezogene Zusammenarbeit von Clubs, Fanprojekten und der Polizei leistet einen bedeutenden Beitrag zu einem sicheren Stadionerlebnis und zur Reduzierung von Polizeieinsatzstunden. Wir arbeiten daran, dass weitere Bundesländer diesem Beispiel folgen, und sind dazu in zielführenden Gesprächen.“