Polizeikosten – Fragen und Antworten zum Rechtsstreit zwischen der Freien Hansestadt Bremen und der DFL
Die allgemeine Einschätzung der DFL
Den vom Land Bremen eingeschlagenen Weg in Bezug auf das Thema Polizeikosten hält die DFL weiterhin (auch nach den gegen sie ergangenen Urteilen, siehe nachfolgend „Kostenstreit zwischen Bremen und der DFL – worum geht es?“) für weder sachlich richtig noch verfassungsgemäß. Die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, insbesondere die Gewährleistung einer störungsfreien An- und Abreise der Besucher im öffentlichen Raum zu einer Veranstaltung, obliegt der Polizei. Die Bereitstellung zusätzlicher Polizeikräfte ist weder von der DFL veranlasst, noch erfolgt dies im überwiegenden Interesse der DFL, ebenso ermöglicht dies keinen sonstigen spezifischen (Sonder-)Vorteil.
Die Polizei wird vielmehr im Interesse der Allgemeinheit tätig. Die DFL und auch der jeweils die Veranstaltung durchführende Heimclub sind Teil der Allgemeinheit, aber nicht spezifischer Nutznießer, der aus der Bereitstellung zusätzlicher Polizeikräfte einen Sondervorteil erlangt. Ein etwaiger Mehraufwand zur Verhinderung von Gewalttaten im öffentlichen Raum rechtfertigt daher keine Gebührenpflicht. Unabhängig davon verhindern Gebührenbescheide keine einzige Einsatzstunde der bereitgestellten Polizistinnen und Polizisten.
Der organisierte Fußball wird im Rahmen seiner Möglichkeiten wie bisher alles daransetzen, Lösungen im Sinne der Sache zu erarbeiten, damit die Polizei auf Dauer entlastet wird. Die DFL wird daher weiterhin auf Präventionsarbeit und den Auf- und Ausbau belastbarer Netzwerke setzen. Ein Beispiel für eine erfolgreiche Netzwerkarbeit ist das Konzept der Stadionallianzen (siehe nachfolgend „Um was handelt es sich bei den Stadionallianzen genau?“).
Weitere Informationen/bisherige Veröffentlichungen auf der DFL-Website:
- Rechtsstreit um Polizeikosten: DFL strebt unverändert Entscheidung durch das Bundesverfassungsgericht an [25.11.2020]
- Votum der Clubs der Bundesliga und 2. Bundesliga: Bremer Polizeikosten gehen in voller Höhe zu Lasten des SV Werder Bremen [03.12.2019]
- Polizeikosten: DFL begleicht Bremer Gebührenbescheide fristgemäß [10.09.2019]
- Polizeikosten: Mündliche Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht [25.04.2024]
Fragen und Antworten
Kostenstreit zwischen Bremen und der DFL – worum geht es? Worüber wird gestritten?
Gegenstand des Rechtsstreits mit der Freien Hansestadt Bremen ist die Erhebung von Gebühren gegenüber der DFL für die zusätzliche Bereitstellung von Polizeikräften anlässlich von bestimmten Bundesliga-Spielen („Spiele mit erhöhtem Risiko“) des SV Werder Bremen. Auf Grundlage der damals kurz zuvor neu geschaffenen Regelung des § 4 Abs. 4 Bremischen Gebühren- und Beitragsgesetzes ist erstmals nach dem Spiel SV Werder Bremen gegen den Hamburger SV am 19. April 2015 ein Gebührenbescheid an die DFL GmbH versandt worden. Bremen ist bislang das einzige Bundesland, das Gebühren für die zusätzliche Bereitstellung von Polizeieinsatzkräften erhebt. Das verwaltungsgerichtliche Verfahren erstreckte sich über mehrere Instanzen. Die DFL hat unmittelbar Verfassungsbeschwerde (Az. 1 BvR 548/22) gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom 21. Dezember 2021 sowie die Urteile des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Bremen vom 11. November 2020, des BVerwG vom 29. März 2019 und des OVG Bremen vom 21. Februar 2018 sowie mittelbar gegen die gesetzliche Gebührenregelung des § 4 Abs. 4 Bremisches Gebühren- und Beitragsgesetz (BremGebBeitrG) erhoben.
Das Präsidium des DFL e.V. hatte bereits in der Vergangenheit erklärt, den Rechtsstreit mit der Freien Hansestadt Bremen durch das Bundesverfassungsgericht abschließend entscheiden zu lassen, da hier grundlegende verfassungsrechtliche Fragen zur Gebührenerhebung durch den Staat gegenüber Privaten zu klären sind. Diese sind nicht nur für den Fußball von Bedeutung, sondern betreffen insgesamt das Verhältnis zwischen Staat und Privaten sowie insbesondere auch Veranstalter anderer kommerzieller Großveranstaltungen im Sport, aber auch außerhalb des Sports.
Wie viele bisherige Anwendungsfälle gibt es? Welche Spiele waren betroffen?
Bislang gibt es sieben Anwendungsfälle, die aus Sicht der Freien Hansestadt Bremen unter den Gebührentatbestand fallen.
Das betraf vier Spiele des SV Werder Bremen gegen den Hamburger SV sowie je ein Spiel des SV Werder Bremen gegen Borussia Mönchengladbach, Hannover 96 und Eintracht Frankfurt.
Warum klagt die DFL gegen den Gebührenbescheid?
Die DFL hält aus vielfältigen Gründen die betreffende Regelung des Bremischen Gebühren- und Beitragsgesetzes für verfassungswidrig und die auf dieser Grundlage ergangenen Gebührenbescheide für rechtswidrig.
Die wesentlichen Gründe: Die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit ist eine staatliche Kernaufgabe. Grundsätzlich gilt daher das Steuerstaatsprinzip, wonach die Erfüllung öffentlicher Aufgaben aus Steuermitteln zu erfolgen hat. Hieraus folgt, dass der Staat die für die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit entstehenden Kosten zu tragen hat. Sonstige Abgaben, wie z.B. Sonderabgaben oder Gebühren, dürfen nicht zur Finanzierung allgemeiner Staatsaufgaben dienen.
Verfassungsrechtlich ist die gebührenrechtliche Heranziehung eines Einzelnen auch nur dann zulässig, wenn er durch eine besondere, ihm individuell zurechenbare öffentliche Leistung einen spezifischen Vorteil gegenüber der Allgemeinheit erlangt. Dies ist bei der die Gebührenpflicht auslösende staatliche Leistung nach § 4 Abs. 4 BremGebBeitrG jedoch nicht der Fall. Denn die zusätzliche Bereitstellung von Polizeikräften erfolgt im öffentlichen Raum außerhalb der Stadien, dient der Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und liegt im Interesse der Allgemeinheit. Der die Veranstaltung durchführende Heimclub sowie die DFL sind zwar, aber auch nur Teil der Allgemeinheit. Ein spezifischer Vorteil („Sondervorteil“), etwa dergestalt, dass die Polizei die Durchführung der Veranstaltung überhaupt erst ermöglicht, wird durch die Bereitstellung von Polizeikräften im öffentlichen Raum weder dem Heimclub noch – und zwar erst recht nicht – der DFL vermittelt, die an der Durchführung der konkreten Veranstaltung nicht direkt beteiligt ist.
Auch aus anderen Gründen hält die DFL diesen Ansatz für nicht sachgerecht: Ein gesetzlicher Gebührentatbestand leistet keinen Beitrag zur Prävention von Gewalt und zur Schonung von Ressourcen der Polizei. Es werden nur Kosten abgerechnet, aber nicht abgesenkt. Eine reine Kostenverschiebung auf den Veranstalter wird keine einzige Einsatzstunde von Polizistinnen und Polizisten verhindern. Das kann nur gelingen, wenn Fußballakteure, Polizei und politisch Verantwortliche zusammenarbeiten. Ziel aller Beteiligten muss es sein, durch enge, verlässliche Zusammenarbeit die Anzahl der Polizeieinsatzkräfte und deren Einsatzstunden zu reduzieren, bei Wahrung des bestehenden, hohen Sicherheitsniveaus. Eine Gebührenregelung kann sich auf diese Zusammenarbeit nachteilig auswirken, wenn sich Club und Polizei als Gebührenschuldner und Gebührengläubiger mit daraus entstehenden unterschiedlichen Interessenlagen begegnen.
Wer ist für die Sicherheit rund um Fußballspiele verantwortlich?
Hinsichtlich der Verantwortlichkeiten ist zu unterscheiden zwischen dem öffentlichen Raum und dem Stadionbereich.
Während die Polizei zur Gefahrenabwehr und Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im öffentlichen Raum tätig wird, sind die Sicherheits- und Ordnungsdienste des jeweiligen Heimclubs für die Sicherheit im und um das Stadion zuständig. Sie führen die Einlasskontrollen durch, setzen die Stadionordnung durch und gewährleisten die Ordnung im Stadion während des Spiels.
Was leistet die DFL im Bereich der Prävention und Sicherheit?
Fußballclubs und -verbände arbeiten seit vielen Jahren nicht nur mit den Polizei- und Sicherheitsbehörden schon weit im Vorfeld der einzelnen Spiele zusammen, sondern haben auch zahlreiche andere Maßnahmen im Bereich Prävention und Sicherheit ergriffen.
Fußballverbände finanzieren gemeinsam mit Kommunen und Ländern Fanprojekte, die sozialpädagogische Fanarbeit nach dem Nationalen Konzept Sport und Sicherheit leisten, und investieren damit im Kalenderjahr 2023 rund neun Millionen Euro, etwa fünf Millionen Euro vonseiten der DFL, in die kommunale Jugendhilfe. Hinzukommen pro Saison zweistellige Millionenbeträge seitens der Clubs durch Ausgaben für Präventionsarbeit und eigenverantwortliche Investitionen in die Sicherheit in den Stadien.
Daneben sind die Clubs verpflichtet, hauptamtliche Fanbeauftragte zu beschäftigen: seit der Saison 2018/19 je Bundesliga-Club mindestens drei, in der 2. Bundesliga mindestens zwei. Ebenso müssen hauptamtliche Sicherheitsbeauftragte beschäftigt werden.
Zur Qualifizierung von Sicherheits- und Fanbeauftragten wurden gesonderte Studiengänge für beide Funktionen eingeführt. Dabei wird der Zertifikatsstudiengang Fan- und Zuschauermanagement (FZM) in Zusammenarbeit mit der Universität Kassel und der Fachhochschule Potsdam berufsbegleitend über 18 Monate mit neun mehrtägigen Modulen angeboten und schafft eine spezifische Qualifikation für die veränderten Herausforderungen im Beruf des Fanbeauftragten, unter anderem für den in der DFL-Lizenzierungsordnung als verbindlich verankerten Club-Fan-Dialog für die regelmäßige Kommunikation zwischen Vereinen und Anhängerschaft.
Insbesondere mit dem Zehn-Punkte-Plan für mehr Sicherheit im Fußball (2011) legte die DFL ein nachhaltiges und systemisch anspruchsvolles Programm vor, das eine entscheidende Verbesserung der Zusammenarbeit von Clubs, Politik, Polizeien und Fanprojekten ermöglichen sollte.
Ebenfalls zum Zweck des Austauschs unterschiedlicher Bereiche führte die DFL die Regionalkonferenzen ein. Die aus diesem Rahmen entstandene Deutsche Fan-Studie bildete wiederum den Ansatz zu den Stadionallianzen, zunächst mit dem Innenministerium von Baden-Württemberg entwickelt und inzwischen auf sieben Bundesländer ausgeweitet.
Für die Gewährleistung der Sicherheit an Spieltagen setzten die Clubs allein bei den Spielen in der Bundesliga und 2. Bundesliga in der Saison 2022/23 mehr als 330.000 Ordner ein.
Darüber hinaus erbringen die Clubs erhebliche Investitionen in Bezug auf infrastrukturelle Sicherheitsmaßnahmen. So wurden in allen Stadien moderne Videoüberwachungssysteme installiert, die unmittelbar von der Befehlsstelle der Polizei im Stadion zu bedienen sind. Sie sollen insbesondere die Identifizierung von Tätern ermöglichen. Bei Risikospielen werden, wenn nötig, die Sicherheitsmaßnahmen in Abstimmung mit den Netzwerkpartnern von kommunalen und polizeilichen Stellen nochmals erhöht.
Was ist ein „Hochrisikospiel“? Wer bestimmt, welche Begegnung ein „Hochrisikospiel“ ist?
Der vielfach verwendete Begriff „Hochrisikospiel“ ist nicht gesetzlich definiert. Sowohl die Polizei als auch die gastgebenden Clubs beurteilen im Vorfeld eines Spieltags das Potenzial für Gefährdungen der Sicherheit im räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einem Bundesligaspiel.
Vielfach decken sich die Einschätzungen der Fußballvereine und -verbände einerseits und der Polizei andererseits. Sie können aber wegen des unterschiedlichen Beurteilungsmaßstabs und unterschiedlichen Bewertungen einer Gefahrenlage auch voneinander abweichen.
Maßgeblich für die Einstufung eines Spiels als sogenanntes „Hochrisikospiel“ /„Rot-Spiel“ – und damit die Herbeiführung der Voraussetzung für die Erhebung von Gebühren für die zusätzliche Bereitstellung von Polizeikräften – ist nach der gesetzlichen Gebührenregelung in Bremen aber ausschließlich die Einschätzung der Polizei nach eigenen Erfahrungen.
Für den gastgebenden Club ist Artikel 56 des Regelwerks für Stadien und Sicherheit (Anhang VI zur Lizenzierungsordnung) maßgeblich. Hiernach werden „Spiele mit erhöhtem Risiko“ und „Spiele unter Beobachtung“ unterschieden.
Wie ist das Verhältnis zwischen der DFL und der Polizei?
DFL und Clubs erkennen die hervorragende Arbeit, die viele Polizistinnen und Polizisten Woche für Woche im Dienst für die Allgemeinheit leisten, im besonderen Maße auch und gerade vor dem Hintergrund der erheblichen Belastung der Polizei auch aufgrund vieler anderer Aufgaben. Die Polizei verdient insbesondere bei ihrer Aufgabe, die öffentliche Sicherheit zu gewährleisten, nicht nur die volle Unterstützung von DFL und Clubs, sondern die der gesamten Gesellschaft.
Die DFL und die Clubs leisten für die Sicherheit bei Fußballspielen die ihnen möglichen Beiträge im Rahmen der Netzwerke mit Polizei, Justiz, Politik und Fanprojekten.
In den vergangenen Jahren hat die DFL aktiv Austauschformate zwischen diesen Akteuren geschaffen und so auf eine Verbesserung der Zusammenarbeit hingewirkt. Sowohl Regionalkonferenzen als auch Stadionallianzen werden von ihr organisiert, gestaltet und finanziert. Unabhängige wissenschaftliche Studien (FH Potsdam 2016, Judith Eble 2016, erneut FH Potsdam 2023) unterstreichen den Wert dieser Formate, die es ohne das Engagement des Fußballs nicht gäbe.
Die Klage der DFL richtet sich nicht gegen die Polizei und ihre Aufgabenerfüllung; die DFL sieht sich aber aufgrund der politischen Entscheidungen in Bremen gezwungen, gegen die Gebührenbescheide vorzugehen.
Um was handelt es sich bei den Stadionallianzen genau?
Stadionallianzen sind eine spezielle Allianz, um die Zusammenarbeit der beteiligten Sicherheitsakteure zu intensivieren. Daraus resultiert unter anderem die Reduktion der Anzahl der im Umfeld von Fußballspielen eingesetzten, polizeilichen Einsatzkräfte. Inzwischen konnten insgesamt sieben Bundesländer mit DFL-typischen Stadionallianzen gewonnen werden.
Hier beantworten wir wichtige Fragen und Antworten zu den Stadionallianzen.
Gibt es eine ähnliche gesetzliche Regelung in anderen Bundesländern?
Bremen ist derzeit das einzige Bundesland, das eine gesetzliche Grundlage zur Abwälzung von Polizeikosten im Zusammenhang mit Einsätzen im öffentlichen Raum auf private Veranstalter geschaffen hat.
Hat die DFL Einfluss auf die Einsatzplanung und Personalstärke der Polizei in Bremen?
Nein, die DFL ist an der Einsatzplanung der Polizei nicht beteiligt und hat auch keinen Einfluss auf die Anzahl der eingesetzten Polizeikräfte. Dies ist aus Sicht der DFL grundsätzlich auch vollkommen richtig. Für eine effektive Gefahrenabwehr ist es unabdingbar, dass der Staat freie Hand hat, die aus nach seiner Einschätzung erforderlichen Mittel einzusetzen.